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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens
Autoren: Christian Jacq
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waren, ohnmächtig zu werden, blieb er plötzlich stehen.
    »Hier ist es«, erklärte er. »Schaut euch den Boden genau an.«
    Die Wüste sah auf einmal anders aus. Überall fanden sich weißliche Flecken.
    »Kratze etwas davon ab und probiere es, Shab«, befahl er.
    Der Rothaarige kniete sich hin und gehorchte. »Das ist Salz«, sagte er dann.
    »Nein, das ist der Geifer des Gottes Seth, der aus den Tiefen der Erde empordringt. Er ist für mich bestimmt, damit ich noch stärker und noch erbarmungsloser werde als Seth selbst. Diese Flamme wird die Tempel und Kulturen zerstören und die Macht des Pharao vernichten, damit der wahre Glaube an die Macht kommt – der wahre Glaube, den ich auf der ganzen Erde verbreiten werde.«
    »Wir haben Durst«, erinnerte einer der Diebe, »mit dem Zeug können wir unseren Durst wohl kaum stillen!«
    »Shab, gib mir ausreichend davon.«
    Unter den verblüfften Blicken seiner Anhänger nahm der Prophet so viel Salz zu sich, dass seine Zunge und sein Mund wie Feuer brennen mussten.
    »Ein besseres Getränk gibt es nicht«, lobte er.
    Der jüngste der Räuber brach ein Stück von der Kruste ab, steckte es in den Mund und zerkaute es.
    Sofort stieß er einen fürchterlichen Schrei aus und wand sich auf dem Boden, weil er hoffte, so den Brand stillen zu können, der ihn innerlich verschlang.
    »Niemand außer mir ist in der Lage, Gottes Wille zu verkünden«, erklärte ihnen noch einmal der Prophet. »Wer es wagen sollte, sich mit mir anzulegen, wird das gleiche Schicksal erleben wie der da. Es ist nur gerecht, dass dieser Ungläubige zugrunde geht.«
    Der Unglückselige zuckte noch ein paar Mal, dann rührte er sich nicht mehr.
    Die beiden überlebenden Schüler warfen sich ihrem Meister zu Füßen.
    »Herr«, flehte ihn Shab der Krumme an. »Wir glauben an Eure Größe und haben nicht Eure Kräfte… Aber wir sind am Verdursten! Könnt Ihr unser Leid lindern?«
    »Gott hat mich auserwählt, damit ich die Rechtgläubigen schütze und unterstütze. Grabt, dann werdet ihr zufrieden gestellt.«
    Der Rothaarige und sein Gehilfe fingen an, wie verrückt zu graben. Und schon bald legten sie den Rand eines Brunnens frei. Diese Entdeckung ermutigte sie, und mit Feuereifer machten sie sich daran, eine Schicht trockenen Gesteins in Windeseile abzutragen.
    Und dann kam Wasser.
    Sie knoteten die Gürtel ihrer Tuniken zu einem Seil und banden ein Gefäß daran.
    Der Krumme holte es mit Wasser gefüllt nach oben und bot es zuallererst dem Propheten an.
    »Erst seid Ihr an der Reihe, Herr!«, sagte er.
    »Seths Feuer genügt mir«, entgegnete dieser.
    Shab und sein Genosse befeuchteten vorsichtig ihre Lippen, dann tranken sie in kleinen Schlucken, ehe sie sich schließlich Haare und Nacken kühlten.
    »Sobald ihr wieder bei Kräften seid, beginnen wir unseren Eroberungszug«, erklärte der Prophet. »Es dauert nicht mehr lange, dann bricht der große Krieg aus.«

 
7
     
     
     
    Sobek der Beschützer, Vorsteher der Leibwache von Pharao Sesostris, war ungewöhnlich nervös. Um die Sicherheit des Monarchen zu gewährleisten, verließ er sich lediglich auf sechs Wachen. Seiner Einschätzung nach waren diese sechs Männer, die mit ihrer ständigen Wachsamkeit und Sprungbereitschaft an Raubtiere erinnerten, wesentlich wirkungsvoller als ein ganzer Trupp von mehr oder weniger aufmerksamen Soldaten. Außerdem begnügte sich Sobek nicht etwa damit, seine Leute zu befehligen: Er war selbst genauso athletisch, schnell und stark wie seine Untergebenen, weil er an den täglichen Übungen teilnahm, bei denen keiner geschont wurde.
    Den Monarchen in der Hauptstadt Memphis zu beschützen, warf schon unzählige Probleme auf. Hier in Abydos aber befanden sie sich auf fremdem Gebiet und mussten auf unbekannte Gefahren gefasst sein.
    Im Laufe der Schiffsreise nach Abydos hatte es keine Zwischenfälle gegeben, und bei ihrer Ankunft hatten nur einige unbewaffnete Priester den Pharao empfangen, der sich unverzüglich zum Tempel des Osiris begeben hatte.
    Der König, fünfzig Jahre alt und mehr als zwei Meter groß, war ein Koloss mit ernster Miene. Als dritter Pharao mit Namen Sesostris trug er die Beinamen »Gott der Verwandlungen«, »Gott der Geburt«, »Der sich ständig Wandelnde«, »Die ruhmreiche Erscheinung der Macht des göttlichen Lichtes« und »Mann der mächtigen Göttin«. (S-n-usert, woher der transkribierte Name Sesostris stammt; laut einer anderen Interpretation heißt das »Bruder des Osiris«.
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