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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian
Autoren: Barbara Noack
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»Warum? Warum ziehst du aus und
nicht ich? Das ist doch deine Bude hier, oder?«
    »Aber du ziehst ja nicht!«
    »Wer sagt denn das?« Sie klang beinah gekränkt.
»Wer sagt denn, daß ich nicht ziehe, wo ich doch bloß gekommen bin, um meine
Koffer zu holen.«
    »Deine — Koffer?«
    »Na ja, mein Täschchen.«
    Sie begann ihr herumliegendes Hab und Flitter
einzusammeln und in eine Plastiktüte zu stopfen.
    Bastian sah ihr zu, erst skeptisch — »Ziehst du
wirklich?« — und dann immer mehr von Hoffnung verklärt. Sollte etwa eine
Glückssträhne bei ihm ausgebrochen sein?
    Micky nahm ein Hemd und wollte es in die Tüte
stopfen, Bastian stellte das Hemd rechtzeitig sicher, denn es war sein Hemd.
Micky sagte: »Na schön, was wollen wir streiten.« Und sah ihn fröhlich an. »Ich
hab’ mir gedacht, rausschmeißen tut er dich eh eines Tages. Also vermasselst du
ihm den Rausschmiß und gehst von selbst. Hab’ ich mir gedacht.«
    »Wo ziehst du denn hin?«
    »Zu einer Freundin.« Sie sah sich im Zimmer um,
ob sie auch nichts vergessen hatte. Bastian sah sich im Zimmer um, ob sie auch
nichts hatte mitgehen lassen, was ihm gehörte.
    »Die wohnt vielleicht —! Toll! Einfach groupie!
Mit Farbfernseher. Nicht so wie hier.«
    »Und du bist sicher, daß sie dich aufnimmt? Kann
ich mich drauf verlassen?«
    Micky lachte. »Mannomann, bist du aber in Druck.
Also ja, sie nimmt mich. Sie ist ganz wild drauf, daß ich zu ihr zieh. Sonst
würd’ ich doch nicht mitten in der Nacht — oder?«
     
     
     

Katharina
II. von links
     
    Gegen sechs Uhr pflegte Schwester Theresa
geradezu widerlich frisch die Krankenzimmertür aufzureißen und ihr »Guten
Morgen! Guten Morgen!« den schlafenden Patientinnen um die Ohren zu klatschen.
Frau Schüssle antwortete mit einem Stöhnen, und Frau Kynast, von Theresa durch
ein zusätzliches Rütteln geweckt, nahm ihre Zähne aus dem Wasserglas und
fummelte sie sich in den Mund. »Können Sie einen anständigen Kranken nicht
ausschlafen lassen? Nee? Geht das nicht? Die Privatpatienten wecken Sie ja ooch
nich mitten in der Nacht. Sind die vielleicht was Besseres?«
    Schwester Theresa verteilte die Thermometer und
schüttelte herzhaft Martha Guthmanns Hand, als sie an ihr Bett trat. »Na, das
war vielleicht eine Überraschung. Herzlichen Glückwunsch!«
    Großmutter sah sie nichts begreifend an. »Wozu
denn?« Theresa drohte mit dem Finger. »Tun Sie doch nicht so scheinheilig. Sie
wissen ganz genau, was ich meine.«
    »Was denn? Sagen Sie doch mal!«
    »Sie sind Urgroßmutter geworden, Frau Guthmann.«
    »Ich? Schon wieder? Wann denn?«
    Theresa konnte nicht antworten, weil Frau
Kynast, bei der sie den Puls maß, mit Stentorstimme jede weitere Unterhaltung
niederdröhnte: »Mit uns könnses ja machen. Wir sind ja bloß Kassenpatienten.«
    »Ruhe!« flehte Frau Schüssle. »Die Person macht
einen ganz schwach.«
    »Wenn du arm bist, mußt du früher aufstehen. Um
sechs!« schimpfte die Kynast.
    Schwester Theresa kam an Großmutters Bett und
ließ sich das Thermometer geben.
    »Erzählen Sie doch mal, Schwester. Ich wußt’ ja
gar nicht, daß schon wieder was fällig war. Diese Familie vermehrt sich wie die
Karnickel. Dreizehn Enkel hab’ ich, davon acht verheiratet und von denen schon
wieder neun Urenkel in drei Jahren. Einer hat immer Geburtstag. Das geht ins
Geld. Das frißt die Pension. Wer ist es denn diesmal?«
    »Na, Ihr Enkel, der Sie immer besuchen kommt!«
Großmutter richtete sich erschüttert auf. »Der Bastian? Der Bastian ist Vater
geworden? Das gibt’s doch nicht!«
    »Ja ist der junge Mann denn überhaupt
verheiratet?« erkundigte sich Frau Schüssle, nun auch hellwach.
    »Nein«, sagte Großmutter giftig, »ist er nicht.
Kann er auch so. Aber daß er mir nichts erzählt hat!« Sie stieß Schwester
Theresa, die Puls bei ihr messen wollte, beiseite. »Jetzt Pulsmessen? Was
glauben Sie, wie der rast. Kriegt ein Kind und sagt mir nichts. Woher wissen
Sie’s denn? Hat er angerufen?«
    »Von der Nachtschwester weiß ich’s. Mutter und
Kind liegen auf demselben Stock. Es ist ein Mädchen.«
    »Im selben Haus? Hier?« Frau Schüssle war
hingerissen. »Auf unserm Stock! Und Sie wissen nichts davon, Frau Guthmann, ja,
was sagt man denn dazu!?«
    Großmutter sagte gar nichts. Sie kochte.
     
    Zur gleichen Zeit stand Dr. Freude an Susi
Schulz’ Bett. Das Mädchen hatte zwar eine leichte Geburt hinter sich, aber es
war jetzt niemand da, der sich mit ihr über das Neugeborene freute.
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