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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian
Autoren: Barbara Noack
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weiß schon«, sagte Großmutter und erhob
sich, um in den Wagen zu schauen. »Ist es dabei?«
    »Katharina? Ja — die zweite von links.«
    »Wie das klingt!«
    »Wie denn?«
    »Wie Katharina II. von Rußland.«
    Und damit hatte das Baby seinen Spitznamen weg:
Katharina II. von links.
    Martha Guthmann brach in helles Entzücken aus.
So ein goldiges Ding! Nein, so was Herziges! Sie nahm ihrem Enkel beinah übel,
daß ihm da ein Referendar zuvorgekommen war.
    Bastian interessierte weniger das Baby als der
Wagen mit seiner gläsernen, aufklappbaren Kuppel, in dem fünf lebendige
Päckchen nebeneinanderlagen.
    »Sagen Sie, Schwester, gibt’s hier Wespen?«
    »Bei uns? Bei uns gibt’s überhaupt kein
Ungeziefer, was glauben Sie?«
    »Ich frage ja nur. Wegen dem Wagen. Der Konditor
in unserer Straße hat auch solchen. Da sind seine Obsttorten drin während der
Wespensaison.«
    Beide Frauen sahen ihn finster an.
    »Stimmt aber«, verteidigte er sich. Und dann
begehrte er die Mutter zu sehen, aber Schwester Theresa sagte, er müsse warten
bis nach dem Stillen.
    »Dauert das lange?«
    »Das kommt drauf an.«
    »Ist Dr. Freude im Haus?«
    Theresa sagte mürrisch, sie wüßte es nicht,
vielleicht sei sie fort, und verschwand im Zimmer.
    »Ich geh’ dann wieder, Oma — servus.«
    Aber er durfte nicht.
    »Sag mal, warum kommst du eigentlich her? Etwa
meinetwegen? Daß ich nicht lache! Gestern bist du zu mir hinein und wieder
hinaus, um eine Vase zu suchen, und bist danach nicht wiedergekommen. Heute
kommst du, um eine junge Mutter zu besuchen, und willst wieder gehen, ohne sie
gesehen zu haben. Ihr Baby vergleichst du mit Zwetschgendatschi zur Wespenzeit
— wen besuchst du hier eigentlich?«
    »Servus, Omi.« Weg war er wie ein geölter Blitz.
Er hatte Katharina Freude am Ende des Flurs gesehen. Kurz hinter ihr zog er die
Bremse. Sie wandte sich erschrocken um.
    »Schwester Theresa sagte, Sie wären schon fort.«
    »Wenn Schwester Theresa das sagt, wird’s wohl
stimmen.« Sie wandte sich der Lifttür zu, ohne ihn zu beachten.
    »Ich gehe Ihnen auf den Wecker«, sagte Bastian
einsichtsvoll. »Das sagen Sie.«.
    »Und Sie denken es.«
    Der Lift kam. »Wiedersehen, Herr Guthmann.«
    Bastian zog rasch die Spieluhr auf und sang
dazu:
    »Katharina, ach du gehst so stille durch das
ernste, alte Krankenhaus.
    Katharina, du mein letzter Wille...«
     
    »Pschscht! Sind Sie verrückt?«
    »Warum?«
    »Die Schwestern!«
    Bastian sah sich um, sah keine Schwestern, sah
auch keine Katharina mehr. Der Lift hatte sie verschluckt. Dafür sah er seine
Großmutter wie ein Mahnmal neben sich stehen. Sie war ihm gefolgt, ohne daß er
es gemerkt hatte.
    »Wolltest du nicht die junge Mutter besuchen?«
     
    Bastian erschien es ziemlich lange, bis die
Damen fertiggestillt hatten und er ins Zimmer durfte.
    Susi hatte den Kopf zum Fenster geneigt und
döste vor sich hin. Die beiden anderen jungen Mütter betrachteten den
Ankömmling sehr interessiert. War das der Vater?
    Er blieb am Fußende des Bettes stehen. »Na,
Mütterchen?« Susis Gesicht entspannte sich in einem Lächeln. »Na, du?«
    »Katharina hab’ ich schon gesehen.«
    »Die Ärztin sagt, es wäre ein besonders hübsches
Baby. Findest du das auch?«
    »Goldig«, sagte Bastian. Das war zwar eine
ungebräuchliche Vokabel in seinem Wortschatz, aber Großmutter hatte »goldig«
gesagt, und so würde es wohl stimmen.
    Er legte Blumen und Spieluhr auf ihren
Nachttisch und setzte sich auf Susis Bettrand. »Erzähl mal. Hat’s sehr weh
getan?«
    »Na eben wie Kinderkriegen.«
    Bastian nickte verständnisvoll. »Ich hatte mal
‘ne Darmkolik. Jungejunge. Das war auch ‘n irrer Schmerz. Wahrscheinlich so
ähnlich.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Aber wenn’s vorüber ist, dann...«Er brach ab
und fragte besorgt: »Du freust dich doch hoffentlich?«
    »O ja.« Sie winkte ihn zu sich herab und
flüsterte: »Ich wäre bloß lieber meine Nachbarin.«
    Bastian sah hinüber. »Wegen der vielen Blumen?«
    »Wegen der vielen Familie, die sich mit ihr
freut.«
    »Familie ist schön, bloß bös muß man mit ihr
sein. Glaub mir, ich spreche aus Erfahrung. Ich habe mindestens sechzig
Verwandte, davon sind höchstens fünf brauchbar. Nicht mal mit meiner Mutter versteh’
ich mich mehr, seit sie noch mal geheiratet hat. Aber bitte, es ist ihr Leben.«
    »Alleinsein ist schlimmer«, seufzte Susi.
    Er spürte, er kam mit seinen burschikosen
Trostversuchen nicht an, und wurde deshalb sachlich. »Was ist mit
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