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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian
Autoren: Barbara Noack
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sich.
    Als Bastian am wenigsten an Katharina Freude
dachte, sah er sie im Rückspiegel. Sie saß neben dem Chefarzt im weißen
Mercedes.
    Das war an einer Kreuzung. Bastian hatte zwar
»Grün«, sah jedoch rot und trat die Bremse durch.
    Das konnte selbst ein Chefarzt nicht ahnen. Er
schoß in Elses Hinterteil hinein und mit ihr vor sich her bis zur Mitte der
Kreuzung.
    Dort kam der Unfall zum Stehen.
    Bastian saß stark verdutzt am Steuer. Was war
ihm denn da passiert? Er mußte irgendwie gebremst haben. Was war ihm denn bloß
ins Bein gefahren!? Stimmt. Die Katharina Freude. So sah man sich wieder. Guten
Tag.
    Er saß noch immer benommen in seiner Else, als
eine Faust gegen ihr linkes Klappfenster bummerte. Eine Männerstimme überschlug
sich vor Zorn.
    »Sie Nachtwächter Sie! Sie Hornochse! Sind Sie
farbenblind? Wissen Sie nicht, was Grün ist?«
    Bastian blickte den Professor sanft verwundert
an. Das Majestätische, das Frau Schüssle und Oma so an ihm liebten — wo war es
geblieben. Der Professor riß Elses verbogene Tür auf, als wolle er Bastian
herauszerren und zusammenschlagen. »Na, na«, jetzt wachte dieser langsam aus
seiner Benommenheit auf. »Anfassen ist nicht.« Wenn schon, dann stieg er
freiwillig aus. Er hielt sich den schmerzenden Nacken.
    »Sind Sie verletzt?« erkundigte sich der Arzt.
    Bastian schaute ihn als Antwort wütend an. »Wer
auffährt, hat schuld.«
    Komisch, wo plötzlich all die vielen Leute
herkamen und Zeit zum Gaffen hatten. Bastian stand nun zwischen ihnen und sah
zum erstenmal seine Else an. Was er noch von ihr sah, machte ihn sehr, sehr
traurig.
    Und dann bemerkte er Katharina Freude, die
ebenfalls ausgestiegen war. Er sah sie an. Sie sah ihn an. Beide sahen
Trümmerelse an. Und dann den Polizisten, der plötzlich neben ihnen stand.
    »Jemand verletzt?«
    »Ja, meine Else«, sagte Bastian. »Sehn Sie
doch.«
    »Machen Sie keine dummen Witze«, fuhr der Chefarzt
dazwischen. »Herr Wachtmeister — dieser Mensch hat bei Grün vor der Kreuzung
gebremst, was sage ich, einfach angehalten, wer soll das ahnen? Ich konnte
nichts mehr machen!«
    »Was haben Sie dazu zu sagen?« fragte der
Wachtmeister. Bastian wiederholte achselzuckend: »Wer auffährt, hat schuld.«
    »Geben Sie zu, daß Sie aufgefahren sind?« wandte
sich der Polizist an den Professor, welcher — außer sich vor Ärger — bestätigen
mußte: »Natürlich bin ich aufgefahren. Aber schuld hat der. Einwandfrei!«
    Der Wachtmeister benutzte den Mercedes als Pult
für sein Notizbuch. »Zuerst mal die Personalien.«
    »Hören Sie zu, Herr Wachtmeister — ich bin
Professor Klein, ich bin Chefarzt. Ich kann meine Zeit nicht mit Lappalien
vertrödeln. Fräulein Dr. Freude ist meine Zeugin.«
    Inzwischen hatten sich in der Zuschauermenge
zwei Parteien gebildet, eine konservative, meist aus älteren Leuten bestehende,
die zum Professor und seinem Mercedes, und die andere, die ebenso unbesehen zum
jungen Mann mit seiner demolierten Else hielt. Zwei Weltanschauungen prallten
aufeinander, kampffreudig und ohne jegliche Objektivität. »Fräulein Freude —
sind Sie verwandt, verlobt — stehen Sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zu
diesem Herrn?«
    »Ja, Herr Wachtmeister.«
    »In welchem?« blökte Bastian dazwischen.
    »Professor Klein ist mein Chef.«
    »Sonst nichts?« fragte Bastian.
    Klein beschwor Katharina: »Sag doch — sagen Sie
doch was, Kollegin! Sie saßen neben mir. Sie haben gesehen, wie der Mensch bei
Grün gebremst hat. — Katharina!!«
    Katharina Freude sagte endlich, wie aus einem
Traum erwachend: »Tut mir leid, ich habe nichts gesehen. Ich schaute aus dem
Fenster. Plötzlich krachte es...« Sie hob bedauernd die Schulter und sah
Bastian an. Der Arzt sah Bastian an. Alle Umstehenden sahen ihn an.
    Bastian sah Katharina an. Katharina lächelte.
    »Geben Sie zu, daß Sie scharf gebremst haben,
ohne behindert worden zu sein?« fragte ihn der Polizist.
    »Ja.«
    »Na bitte — bitte — , er gibt zu, daß er
grundlos gebremst hat!« rief Klein erleichtert.
    »Was heißt >grundlossah Katharina an. Der ganze Vorfall dauerte etwa eine Stunde inklusive
Zusammenstoß, Austausch gegenseitiger Beleidigungen und Versicherungsnummern,
langwieriger Personalaufnahmen und Unfallschilderungen. Nachdem man die beiden
ineinander verkeilten Autos getrennt hatte, fuhren Professor Klein und
Katharina leicht verbeult und gehaltvoll schweigend vom Schauplatz.
    Bastian schob und zog seine Else mit Hilfe
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