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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian
Autoren: Barbara Noack
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auszumisten, fuhr er zum
Befehlsempfang ins Krankenhaus. Er suchte sich auf dem Parkplatz eine Lücke,
von der aus er möglichst wenig bis zum Haupteingang laufen mußte, und dabei sah
er Katharina Freude. Das war so gegen Mittag um zwei. Sie hatte ihren
anderthalbtägigen Dienst beendet.
    Zum erstenmal sah er sie ohne Kittel in einem
wildledernen Anzug, der ihr bezaubernd stand. Er öffnete das Klappfenster und
winkte hinaus — sie sah ihn nicht. Da stieg er aus und wollte auf sie zugehen.
Sie schaute nur kurz in seine Richtung und wandte sich dann einem Mann zu, der
ihr gefolgt war. Das war der Chefarzt.
    Sie stiegen in einen Mercedes und fuhren ab.
    Bastian stand da wie ein Mensch im
Sonntagsanzug, an dem ein Sprengwagen vorbeigefahren ist.
    Er hatte ein Gespräch voll Sympathie mit ihr
geführt. Er wäre bereit gewesen, ihretwegen Terpentin zu saufen. Er hatte ein
Kind nach ihr benannt- Katharina II. von links. Er war verliebt in sie.
    Und sie? Ging an ihm vorbei, ohne ihn zu
beachten. Hatte nur Augen für diesen, diesen Mercedesfahrer! Mit Hut —!
    Bastian packte eine maßlose Wut, die Auslauf
brauchte, Ausbrüche, Kampfziele. Gab’s denn nirgends eine Demonstration, egal
gegen was? Hauptsache, er konnte mitmischen und sich frei brüllen. Er war so
böse, so gekränkt, so eifersüchtig — und so enttäuscht.
    Am liebsten wäre er nach Hause gefahren, aber da
stand seine Großmutter im wattierten Morgenrock hinter der Glasscheibe der
Eingangstür und hatte alles mitangesehen. Er entkam ihr nicht.
    »Das hätte ich dir gleich sagen können«, empfing
sie ihn.
    »Was?«
    »Davon spricht das ganze Krankenhaus. Der Chefarzt
ist hinter der Freude her.« Sie strahlte. »Was glaubst du, was sich Schwester
Theresa darüber giftet. Sie hat was gegen Ärztinnen, und wenn die auch noch mit
dem Chef —! Dann ist Polen offen.«
    Bastian fuhr seine Großmutter vor Zorn beinah
um. »Na und, na und? Was geht mich das an?«
    »Du magst sie doch.«
    »Wer sagt denn das? He?«
    »Brüll nicht so, es hilft sowieso nichts. Der
Herr Professor ist Witwer!« — Sie nahm ihn bei der Hand, ohne Furcht,
zurückgestoßen zu werden, sie war schon immer eine beherzte Frau gewesen.
»Jetzt komm. Wir setzen uns da rüber. Ich muß mit dir reden. Es geht um das
Kathrinchen.«
    Bastian dachte, ich tauf’ das Baby wieder um.
Susi gefällt der Name auch nicht sehr. Wieso soll das Kind mit dem Namen dieser
Person herumlaufen!?
    »Bastian, ich sag’ dir, da muß man was tun. Ich
habe die junge Mutter inzwischen besucht, und sie gefällt mir nicht. Sie heult
zuviel. Man muß den beiden helfen. Hörst du mir überhaupt zu?«
    »Nein.«
    »Also dann setz dich. Hier ist was zum
Schreiben. Schreibe: 300 Gramm Babywolle-rosa. Ein schönes Rosa. Und
Stricknadeln Nr. 2 — Warum schreibst du nicht?«
    Er saß da, unfähig, etwas anderes zu tun, als in
Gedanken Chefärzte mit ihren eigenen Mitteln abzumurksen.
    Großmutter nahm ihm Bleistift und Papier wieder
fort und schrieb selbst ihre Bestellungen auf: 3 Lätzchen mit lustigen Figuren,
3 Strampelhosen, 3 Babyhemden... außerdem Baldriantropfen. Für die Susi.
Baldrian beruhigt.
    Bastian schmiß in diesem Augenblick sein
Schlüsselbund in die Gegend. Es rutschte auf dem frisch Gebohnerten bis gegen
die Wand.
    »Für Bastian auch Baldrian«, notierte
Großmutter. »Dann fährst du in meine Wohnung. Den Schlüssel hat die Nachbarin.
Aus der Wohnung holst du den neuen Wäschekorb, den von der Blindenanstalt. Mit
dem Korb fährst du zu Fräulein Dussler in der Schleißheimer Straße. Fräulein
Dussler ist Schneiderin. Sie soll den Korb auspolstern, damit das Kathrinchen
ein Bett hat, wenn es aus dem Krankenhaus kommt. Rosa-weiß karierten Stoff
dafür kriegst du beim Oberpollinger.« Sie holte Luft und fuhr fort: »Wenn du
das alles gemacht hast, fährst du zu deiner Kusine Annelie und holst die
Babywanne und die Waage. Sie braucht sie ja zur Zeit nicht. Wenn sie sie dir
nicht geben will, sag, sie ist für mich. So. Das wär’s. Nun fahr!« Sie standen
beide auf. Großmutter sagte: »Schau mich nicht an, als ob du mich haßt. Nicht
ich hab’ die Susi Schulz aufgegabelt, sondern du.«
    »Nein!«
    »Wer dann?«
    »Sie mich.«
     
    Bastian schimpfte über seinen ehrenamtlichen Job
und rollte dennoch befehlsgemäß zu Ämtern, Kurzwarenläden, Kaufhäusern, Kusine
Annelie und Fräulein Dussler. Elses Kofferraum und ihre hinteren Sitze füllten
sich. Sein Zorn hingegen nahm mehr und mehr ab. Erschöpfte
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