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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian
Autoren: Barbara Noack
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warten kann?«
    »Ich hab’ keinen Mann«, sagte Susi, als die Wehe
abgeklungen war. »Ich hab’ ihn im Urlaub kennengelernt — vorigen Herbst. In
Spanien. Da war’s die große Liebe. Er ist Referendar in Köln, weißt du, und als
wir uns später wiedertrafen, haben wir nur noch gestritten. Furchtbar war das.
Habe ich eben Schluß gemacht. Lieber keinen Vater für das Baby als einen, mit
dem ich mich nicht versteh. Verstehst du?«
    Bastian verstand.
    »Aber manchmal ist es verflixt schwer so allein.
Mit meiner Mutter versteh’ ich mich auch nicht. Sie weiß noch gar nichts von
dem Baby...« Susi brach ab, weil Bastian nicht mehr zuhörte, sondern einen
jähen Ausbruchsversuch Richtung Lift machte. Denn dort stand sie, die
Freude, aber nur sekundenlang, dann hatte der Lift sie verschluckt.
    »Das war die Ärztin«, sagte Susi.
    »Ja, das war sie.«
    Die Schwester kam wieder vorbei und schimpfte,
weil Bastian noch immer da war.
    Er strich Susi über die verschwitzte Wange.
»Mach’s gut, Mädchen. Halt die Ohren steif.«
    »Werd schon.«
    »Und wenn’s da ist, ruf mich an.« Er gab ihr
seine Nummer. »Du bist sehr lieb, Bastian«, sagte Susi. »Du mit deiner Vase.«
    Erst jetzt erinnerte er sich an die Kristallpracht,
die noch immer unter seinem Arm klemmte — und an seine Großmutter, die noch
immer auf die Vase und seine Rückkehr warten mochte. Er hatte sich gestern
nicht von ihr verabschiedet, er mußte es wenigstens heute tun.
    Auf dem Weg zu Zimmer 338 begegnete er Schwester
Theresa. »Sie sind ja noch hier!«
    Bastian zuckte bedauernd die Achseln. »Ja, ich
versteh’ das auch nicht. Ich — ich such’ den Lift.«
    »Den Lift!« staunte sie. »Den Lift sucht er und
steht davor!« In diesem Augenblick öffneten sich seine Türen. Zwei Ärzte kamen
heraus — eine davon war die Freude.
    Bastian strahlte. »Hab’ ich ein Schwein!«
    »Ach, Sie schon wieder-.« Während ihr Kollege
weiterging, mußte sie stehenbleiben, das lag an Bastian, der ihr im Wege stand
— nun schon zum drittenmal in zwei Tagen.
    »Ich hab’ mir so gewünscht, Sie wiederzusehen«,
sagte er und wurde daraufhin prüfend von ihr betrachtet. Wenn ihr schon einer
so intensiv in die Quere kam, wollte sie wenigstens wissen, wie er aussah.
    Er hatte fröhliche Augen. Das vor allem. Blonde,
frisch gewaschene Haare, die ihm immerzu in die Stirn fielen. Er war lang und
eckig, trug Jeans und ein kariertes Hemd und eine Jeansjacke, deren Kragen beim
Anziehen zur Hälfte nach innen geraten war. Ein ebenso sympathischer wie
harmlos wirkender junger Mann mit einer Kristallvase unterm Arm, wieso mit
einer Vase!?
    »Sie sind verrückt«, sagte sie und ging ihrem
Kollegen nach, der auf sie wartete.
    »Bis morgen, Doktor!« rief Bastian. »Ich komm’
jetzt täglich.«
    »Wer war denn das?« fragte der Kollege, als die Freude
ihn eingeholt hatte.
    »Der Enkel einer Patientin. Der dreizehnte Enkel
von Frau Guthmann.«
    »Und kommt täglich zu seiner Großmutter?«
staunte der Kollege.
    »Ja. Rührend, nicht wahr?«
    In diesem Augenblick krachte und klirrte es
hinter ihnen. Das war die Vase.
    Bastian zog sich hastig die Jacke aus, fegte die
Scherben in sie hinein und floh per Lift.
     
     
     

»Katharina...!«
     
    Es war so schön leer und friedlich, als er nach
Hause kam. Micky war nicht da, nur ihr ausgelaufener Nagellack auf seiner
Tischplatte. Sah aus wie Blut im Krimi.
    Warum gab’s nur solche Typen wie Micky in seinem
Leben, die ihm wie Kletten anhingen, ohne daß er sie aufgefordert hatte, bei
ihm Klette zu sein?
    Ich bin zu gutmütig, sagte er sich, nein,
gutmütig bin ich nicht. Ich bringe nur nie im entscheidenden Moment genügend
Rücksichtslosigkeit auf, um das Übel von mir abzuwenden. Ich habe wohl auch
zuviel Mitleid mit den Mädchen und nachher den Ärger, sie wieder loszuwerden.
    Bastian ging an den Eisschrank. Im Eisschrank
standen Mickys Cremedöschen und ein übriggebliebenes Marmeladebrot vom
Frühstück und ein uraltes Yoghurt und — welch Lichtblick — auch zwei Biere.
    Bastian trank die Biere und rauchte dabei aus
dem Giebelfenster seines Zimmers auf den grünen, runden Kopf der Hofkastanie.
Er war verknallt, jedoch dabei noch immer logisch. Er fragte sich, was soll ich
mit einer Ärztin!? So eine Frau hat erstens kaum Zeit, und zweitens stellt sie
Ansprüche. Sie würde versuchen, Ordnung in sein Leben zu bringen. Beruflichen
Ehrgeiz von ihm erwarten. Bürgerliche Anzüge. Eine saubere »Else« und all so
was.
    Aber was
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