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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian
Autoren: Barbara Noack
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    »Von wem?«
    Großmutter nahm die Finger aus den Ohren und
klagte:
    »Kannst du mir mal sagen, warum die Schwerhörige
immer den meisten Besuch hat?«
    Bastian wußte es auch nicht.
    Erst jetzt begriff sie bewußt seine Anwesenheit,
sah die Rosen, die er auf ihre Bettdecke gelegt hatte, und war sehr
erschrocken. »Ja Bub! Was ist los? Du warst doch erst gestern da und heut schon
wieder. Steht’s denn so schlecht um mich?«
    »Um dich? I wo! Ich dachte nur, es würde dich
freuen...«
    »Freilich«, sagte sie, »aber wer besucht schon
so oft eine alte Frau im Spital? Und ausgerechnet du, der sich vor
Krankenhäusern fürchtet!«
    »Ach«, sagte Bastian, »das kommt auch aufs
Krankenhaus an. Hier gefällt’s mir ganz gut.«
    Nun freute sie sich über die schönen, schönen
Rosen. Dieselbe Sorte gab’s auch im Englischen Garten.
    »Das sollst du doch nicht, Bub!«
    »Ich hab’ sie gekauft«, beteuerte er.
    »Natürlich«, sagte sie, »das mein’ ich ja.«
    »Soll ich dir eine Vase holen, Martha? Ich hol’
dir eine, Moment — .« Er eilte aus dem Zimmer auf der Suche nach einer Vase,
vor allem aber nach Dr. Freude.
    Großmutter rief vergebens »Bastian! Bastian!«
hinter ihm her. »Wo läufst du hin? Hier ist doch eine!«
    In der Stationsküche fand er Schwester Theresa.
Zur offiziellen Besuchszeit war sie bedeutend gnädiger zu ihm. Sie schloß sogar
eine Kammer auf und suchte dort eine große kristallene Vase für ihn heraus.
    Bastian fragte so nebenbei nach Dr. Freude. Ob
die vielleicht im Hause wäre?
    »Sie hat heut Nachtdienst«, sagte Theresa. »Hat
sich aber noch nicht bei mir sehen lassen. Wenn Sie den Doktor Vogel sprechen
möchten...«
    Bastian dankte für den Dr. Vogel und zog mit
seiner Vase ab. Er durchquerte mehrmals die Flure, auf denen sich Patienten von
ihren Besuchern verabschiedeten. Am Krankenbett verschüchterte Kinder drängten
erleichtert dem Lift zu.
    Die Dr. Freude sah er nirgends. Dafür fiel ihm
eine junge Frau auf, weil sie so sehr allein an einem Fenster stand. Ihr Haar
war strähnig, das Gesicht, das sie ihm einmal zuwandte, als er vorüberging,
wirkte gedunsen. Er kannte es, aber er wußte nicht, woher.
    Sie stutzte auch und wußte nicht, ob sie ihn
grüßen sollte, und als er vorüber war, fragte sie zögernd »Bastian? Bastian
Guthmann?« hinter ihm her.
    Er blieb stehen.
    »Erinnerst du dich nicht mehr? Ich bin Susi
Schulz. Wir waren voriges Jahr auf der Party bei Freddy Kuchel zusammen.«
    »Ach ja, natürlich, Susi. Hab’ dich gar nicht
erkannt. Bastian kam zurück, nicht eben überwältigt vor Freude. »Grüß dich,
Susi. Was machst du denn hier?«
    »Siehst du doch. Ich bekomme ein Baby.«
    »Aha.«
    Sie standen voreinander und wußten nicht
recht...
    »Ja, dann will ich nicht weiter stören. Alles
Gute, toi, toi, toi!« Er winkte noch einmal zurück und erschrak.
    Susi stand schwerfällig da, ihre Hände
verkrampften sich über dem Bauch, sie stöhnte leise.
    »Gottes willen, geht’s los?«
    Susi Schulz versuchte ein quittegelbes wehes
Lächeln.
    »Soll ich die Ärztin holen?« fragte er
eilfertig. »Ich hol’ die Freude, ja?«
    Susi wehrte ab. »Es ist ja erst alle drei
Minuten.« Farbe kehrte langsam in ihr Gesicht, das Lächeln wirkte gelöster,
wenn auch nicht besonders froh.
    Sie erinnerte ihn jetzt entfernt an ein
zierliches, hellblaues, wehendes Geschöpf auf einer Vorortstraße. Mitten auf
der Straße. Barfuß auf dem Asphalt, in jeder Hand eine Sandalette.
    Susi voller Lachen, voller Schwips, voller
Sommer im Morgengrauen nach der Party bei Freddy Kuchel. Sie waren ruhestörend
albern gewesen, rannten um die Wette und machten Klingelzüge. Vor ihrer Haustür
hatte Susi die Arme um seinen Hals gelegt und ihn geküßt. Bastian spürte dabei
die Hacken ihrer baumelnden Schuhe in seinem Kreuz. Er mochte Susi. Verliebt
war er nicht, aber er hatte versprochen, sie anzurufen.
    Das war jetzt ein Jahr her.
    »Du hast damals nicht angerufen.«
    »Habe ich nicht? Muß mir wohl was
dazwischengekommen
    sein.«
    »Ja, schade«, sagte Susi. »Vielleicht wäre sonst
alles ganz anders gekommen.«
    Sie krümmte sich in einer neuen Wehe und tat
Bastian so leid. Daß man dagegen noch nichts erfunden hatte —!
    Die Flure waren nun leer. Eine Schwester räumte
die Blumenvasen vor die Türen und erinnerte ihn daran, daß die Besuchszeit
vorüber war.
    »Willst du dich nicht lieber hinlegen?«
    »Ich soll ja laufen — .«
    »Und dein Mann? Gibt’s hier kein Vaterzimmer, wo
er
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