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Der Autor und sein Werk

Der Autor und sein Werk

Titel: Der Autor und sein Werk
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Spanier
hat unsern Wall gesprengt mit zwanzig
Pulverfässern, – eine Bresche klafft in
der Mauer! Gott, o Herr hilf! Lahm vor Angst
sind wir empor zur Bodenkammer mit
unsrer kranken Mutter gewankt. Betend
sank jeder von uns in die Knie und flehte
nicht um sein Leben, sondern um die Gnade
für die Mutter, für den Vater, um Erbarmen,
und sie, die sich im Schmerz der Krankheit
krümmte, bat nur für ihre Kinder, betete
für uns. Da splitterte die Haustür, grauenvoll
erscholl das Haus von wilden Schreien wider,
man hörte Möbel krachen, Flüche, deren
Gräßlichkeit uns weiß die Wangen werden ließ.
Plötzlich stand Vater in der Tür, mit Blut
bespritzt, als habe er im Schlachthaus eine Kuh
geschlachtet, und sein wirrer Blick, sein Atem
war für die Mutter, nicht für uns, ein
Spiegel der Verzweiflung und des Endes. Laut
schrie Mutter auf, da polterte die Treppe,
und eine Horde Krieger, angeschoßnen Bestien
gleich, schob sich zu uns empor. Mit
seinem Leib hat Vater unsre Tür gedeckt,
sein Hieb traf Kopf auf Kopf, der ihm
zu nahe unter seine Arme lief. Und da – (weint) –
ein Spieß, von starker Hand geworfen,
durchbohrte seine Brust, und röchelnd
sank er zurück, den letzten Blick auf uns.
Da krachte eine Axt, und mittendurch
hat ihre Wucht den edlen Kopf gespalten.
Wir schrieen – (bedeckt die Augen mit den Händen)
– O Jan, Jan, laß
mich schweigen, die Erinnerung ist wie ein
Brand. Sie weckt den Wahnsinn!
Jan
(wie aus Eis) Weiter!
Gudrid
Ein Degen fuhr der Mutter in die weiße
Brust, dich griffen sie am blonden Haar
und schleiften dich durch Vaters Blut hinaus.
Doch mir, mit sechzehn Jahren, halb ein Kind
(schluchzt), riß man die Kleider, alles
von dem Leib, schlug mich in eine Ecke,
blutklebrige, behaarte Hände preßten mich
zu Boden und … O Jan, welch ein Geschenk
hat Gott den Menschen durch die gütige
Ohnmacht gegeben. Es war Nacht um mich.
Jan
O, wie ein Feuer brennt es in der Brust,
das nie erlischt und ewig glüht, solang
das Herz noch schlägt! Noch weiß ich
alles, alles, alles! Ich weiß es noch, wie ich
um Hilfe schrie – so töricht war ich noch –,
wie ich mit meinen Füßen um mich trat
und zu dir wollte, dich beschützen! Ein Soldat
– Soldat, ein Tier war es! – mit höhn'schem
Grinsen in seiner Teufelsfratze, rief mir zu,
du seist in guter Hut, die Kraft
der Männer würde dir ein Paradies vorgaukeln.
Ich glaubte nichts, ich schrie, ich wollte
dich sehen, sprechen, doch ein Schlag
mit dem Musketenkolben, und die Sinne
verließen mich.
Gudrid
In guter Hut? O Gott,
nie will ich mehr mit Kleid und Schuh mich schmücken,
nie Brot berühren, bettelnd mich ernähren,
als eine Stunde nur in solcher Hut
nochmals verbleiben. – Freiwild wurde ich
für Albas Söldner, mit dem ›Ehrentitel‹
der Marketenderin bedacht, die nachts
und oft auch tags wie eine Ware
sich für 'nen Silberling verkaufen mußte. Jeder
hatte ein verbrieftes Recht auf mich, denn
Flanderns Mädchen waren, wie die Offiziere
sagten, das staatlich zugelassene Bordell
für Albas Heer.
(Jan bedeckt das Gesicht mit den Händen)
Zuerst, noch ungewohnt
des wüsten Treibens, wehrte ich mit
Kratzen, Beißen meine Folterknechte ab, doch
wenn die Peitsche Blut aus meinem Körper
schlug, sank ich ins Stroh und schloß
die Augen. Warum seine Ehre, seine Unschuld
mit Trotz verweigern, wenn der Schmerz
den Menschen nachher zwingt zu tun, was
geschehen konnte ohne Blut?
Jan
(stöhnt) O sterben,
sterben unter Qualen, nur die Schande nicht!
Gudrid
Ich wollte leben, alles in mir schrie
nach Leben, weil der Glaube an
die Zukunft nicht erstickt war, sondern Stärke
und Mut zum stummen Dulden gab. Ich wollte
die Sonne wieder sehen, wollte jubeln, tanzen –
O ich war jung, jung, voller Hoffnung trotz
dem Schlamm, der meinen Leib entehrte. Nein,
ich schrie in stillen Nächten, wenn das Heer
im Kampf stand und mir Ruhe gönnte, dem
Zelt zu: Leben will ich, leben, leben, leben!
Das gab mir Kraft zu opfern und zu tragen.
Mit achtzehn Jahren kam ein Kind
auf diese sünd'ge Welt, ein Junge, schmächtig,
unansehnlich, da die Nahrung fehlte.
Den Vater – konnte ich ihn kennen, wo
jeder seine Spuren hinterließ? Was kümmerte
es mich – das Kind war nun geboren
und forderte die Mutterpflicht. Es war
ja nur ein Bastard, aber, ja, es war
ein Kind, mein Kind. Die Herkunft
sank mir zurück, ich hatte etwas,
das einmal meine Sprache, meine Seele,
meine Gedanken haben würd'. So dachte
ich. Zu dieser Zeit war ich im Zelt
des Hauptmanns Cabriliero
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