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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe
Autoren: Martin Walser
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gemacht  hat  mit  dem  Sprach schwindel  hie  Körper,  da  Seele,  daß  ihn  seitdem  keiner  übertroffen  hat  in  seiner  Fähigkeit,  sich,  uns  alle,  den  Men schen als eins, als ein Einziges zu erleben, und nicht nur den  Menschen,  Herr  Zürn,  alles  ist  eins,  die  Mücke,  der  Hund,  der Mensch, die Sonnenblume, alles ist aus dem selben Stoff,  und  Bewußtsein  ist  überall!  Das  hat  vor  ihm  und  nach  ihm  keiner  so  mitreißend  erlebt  und  erzählt.  Herr  Zürn!  Herr  Krall! Was ist los mit Ihnen?! 
Gottlieb  spürte,  daß  sie  ihn  heftig  loben  wollte.  Er  müßte  ihr  sagen,  daß  er  ein  Training  hinter  sich  habe.  Schluß  mit  dem  Gelobtwerdenwollen.  Das  Gelobtwerdenwollen  ist  das  unverwüstlich Kindheitliche in uns. Und je älter wir werden,  desto komischer wirkt dieses Immernochgelobtwerdenwollen.  Irgendwann  müßte,  was  man  tut,  sich  selber  loben.  Oder  eben nicht. Bei dir eben nicht, Gottlieb Zürn. Deshalb bist du  immer noch in Gefahr, abhängig zu werden von solchen, die  dich loben. Oder die so tun, als wollten sie dich loben. Es lobt  dich jeder nur um seinetwillen. Das ist erfahren. Keiner lobt  dich  um  deinetwillen.  Also  schließ  deine  Ohren  vor  diesem  freundlichen  Schwall.  Schenk  ihr  noch  einen  Calvados  ein.  Und  noch  einen.  Ermuntere  sie  zum  Trinken,  daß  sie  dann  selber  merkt,  wie  wenig  glaubwürdig  sie  ist.  Gib  ihr  Gabrieles  Telephonnummer.  Soll  sie  die  ausfragen  über  La  MettrieWirkungen  in  Deutschland.  Das  tat  er  dann.  Die  Besucherin war entzückt. Eine junge Politikerin, die durch La  Mettrie  zu  sich  selbst  gefunden  hat.  Das  ist  Wirkungsge schichte!  Fabelhaft!  Dann  mußte  sie  tatsächlich  gehen.  Die  Großtante  braucht  das  Auto,  weil  sie  heute  ihren  Bridge Abend in  Bad Schachen hat. Aber sie sei so froh, daß sie es  gewagt habe, hier einzudringen und vorzudringen zu Wen  delin Krall. Sie habe viel gelernt an diesem zu kurzen Nach mittag. Und so weiter. 
Gottlieb  hörte  das  wie  aus  weiter  Ferne.  Die  konnte  jetzt  also einfach gehen. Und er, der Immerschonidiot, blieb ver blutend zurück. Er ging mit ihr zum eisernen Gartentor, das  man nur aufkriegte, wenn man es zuerst nach oben riß, dann  erst  konnte  man  es  zu  sich  herziehen.  Auch  kreischten  die  Angeln, weil Gottlieb vor lauter Sitzenmüssen nie dazu kam,  sie  zu  ölen.  Sie  blieb  stehen,  hob  Kopf  und  Schultern,  als  stünde sie unter der Dusche, und sagte mit ihrem dabei sich  ganz  langsam  öffnenden  Mund:  Toll.  Gottlieb  blieb  nichts  übrig als zu fragen: Was? Das Kreischen, sagte sie, so schön,  so  schrill.  Und  wie  sie  vorher  scharf  mit  drei  f¹s  gesprochen  hatte,  sprach  sie  jetzt  schrill  mit  einem  nicht  aufhörenden  l  aus.  Daß  sie  ihre  Zunge  während  dieses  unaufhörlichen  l¹s  ziemlich  entblößte,  schien  ihr  nichts  auszumachen.  La  Met trie  läßt  grüßen,  dachte  Gottlieb  und  machte  durch  eine  Kopfbewegung  deutlich,  daß  er  jetzt,  solange  sie  das  l  tril lerte, vor sich auf den Boden schauen werde. Da sah er, zum  ersten  Mal,  ihre  Schuhe.  Wahrscheinlich  waren  die  jetzt  gerade modern. Viel länger als nötig, so weit kann kein Fuß  nach  vorne  kommen,  so  schmal  kein  Fuß  sein,  und  ganz  vorne  nicht  mehr  spitz,  sondern  wie  abgesägt.  Aber  das  wirklich Attackierende war das Schlangenleder oder Schlan genledermuster. Total tropisch beziehungsweise: die Schlan ge persönlich. Die Absätze manierierter als je. Geschwungen  dünn  und  dann  doch  ziemlich  massiv  auf  den  Boden  kommend. 
Er schaute wieder nach oben. 
Sie  werden,  fürchte  ich,  von  mir  hören,  sagte  sie.  Der  Animateur La Mettrie! Sie sei so unbescheiden zu vermuten,  daß sie Zeugin einer  Wiederbelebung geworden sei. Die sei 
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