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Der Auftrag

Der Auftrag

Titel: Der Auftrag
Autoren: William C. Dietz
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fuhr mahlend rückwärts die Rampe hinauf und schleppte den Versorgungstruck weg. Jetzt konnten die restlichen Fahrzeuge herunterrollen und ihre vorher festgelegten Positionen einnehmen.
    Baldwin blickte ein letztes Mal in die Runde. Das Landungsfahrzeug verfügte über reichlich Feuerkraft, von der er sich ungern trennte.
    »Pfeilkommandeur Tula-Ba?«
    Tula-Ba war Baldwins Stellvertreter und hatte sich alle Mühe gegeben, diesen Posten nicht zu bekommen, hatte das aber nicht vermeiden können. Baldwin wusste das nicht, aber man hatte Tula-Ba eine kleine Fernbedienung gegeben, mit der dieser, falls sich das als nötig erweisen sollte, sein Implantat aktivieren konnte. Der Hudathaner war dreißig Meter von ihm entfernt und überprüfte den
    Verteidigungsring.
    »Spionageaugen und Scanner sind klar, Sir.«
    »Gut. Schiffe eins, zwei, vier und fünf können starten. Danke fürs Mitnehmen, und Glück auf.«
    Die Piloten der Landungsfahrzeuge glaubten nicht an Glück und antworteten deshalb nicht. Düsenaggregate brüllten, die Schiffe stiegen auf, und die Hauptantriebsaggregate wurden eingeschaltet. Eine Minute später waren sie verschwunden.
    Baldwin grinste. So weit, so gut. Die Legion war so liebenswürdig gewesen, eine Straße zu bauen, die in sechs Kilometer Entfernung an einer kybernetischen Wartungsanlage vorbeiführte, die LV-2 hieß, und dafür wollte er sich bei ihnen bedanken. Er ging auf sein gepanzertes Kommandofahrzeug zu.
    »Also gut, Tula-Ba … aufsitzen.«
    Im Inneren der Kaverne herrschte behagliche Wärme. Windsüß saß mit übereinander geschlagenen Beinen vor dem Feuer. In einer Schale duftete Weihrauch. Der Rauch zog ihr in dünnen Schwaden um den Kopf. Booly und ihr Vater waren nicht damit einverstanden gewesen, sie alleine zu lassen, aber Windsüß hatte sich durchgesetzt und daraufhingewiesen, dass die Dörfer angegriffen werden würden, sobald den Hudathanern klar geworden war, dass die Naa eine Bedrohung darstellten. Aber das war nicht der wirkliche Grund, dass sie geblieben war; nein, der wirkliche Grund hatte mit dem in ihr heranwachsenden Leben zu tun und ihrem Wunsch, eine Zeit lang alleine zu sein. Wie alle weiblichen Angehörigen ihrer Rasse hatte
    Windsüß das Geschlecht ihres Kindes von Anfang an gekannt. Das Junge würde männlich sein, mutig wie sein Vater, stark wie seine Mutter. Aber wie würde es aussehen? Würde sie ein Monster gebären? Etwas, das so hässlich war, dass niemand seinen Anblick ertragen konnte? Es gab Gerüchte von Mischlingen, die die Prostituierten von Naa Town angeblich zur Welt gebracht hatten, aber sie hatte nie ein solches Mischlingskind gesehen. Und deshalb war sie geblieben: um für ihre Lieben zu beten und die Wulastäbe zu werfen.
    Die Wulastäbe waren seit Generationen in ihrer Familie vererbt worden, eingehüllt in bunt verzierte Dooth-Haut und von der Mutter an die Tochter weitergegeben. Jemand, der in der Kunst der Weissagung nicht geübt war, hätte sie einfach für polierte Stäbe gehalten, einige davon länger als andere und alle vom gleichen Durchmesser.
    Windsüß atmete das üppige Aroma des Weihrauchs ein und griff nach dem Bündel zu ihren Füßen. Sie öffnete es bedächtig, ehrfürchtig, so wie ihre Mutter es sie gelehrt hatte, und breitete das Stück Leder auf dem Boden aus. Es trug ein Muster und würde den Stäben einen sicheren Landeplatz bieten.
    Dann ergriff sie mit beiden Händen die Wulastäbe, hob sie hoch über dem Kopf und begann zu singen. Es war ein weicher, wehmütig klingender Gesang, den Frauen erfunden hatten und der Männern versagt war.
    Der Gesang dauerte eine Weile, hob und senkte sich und begann wieder von neuem. Als Windsüß’ Bewusstsein außerhalb ihres Körpers zu schweben schien und sie das Gefühl hatte, der richtige Augenblick sei gekommen, öffnete sie die Hände und ließ die Wulastäbe fallen. Das Klappern von Holz auf Holz holte sie von dem Ort zurück, an dem sie gewesen war.
    Die Stäbe lagen in einem wirren Haufen da, aufgeschichtet wie die Jahre im Leben eines Naa und quer übereinander wie die Spuren wandernder Dooth. Das Lesen der Stäbe war halb Kunst, halb Wissenschaft und verlangte völlige Konzentration. Windsüß furchte die Stirn und ließ den Blick von den obersten Stäben hinunter in das Labyrinth wandern.
    Viele Stunden verstrichen, in denen sie lernte, dass ihr Sohn zwar anders aussehen aber dennoch schön sein würde und dass er für ein Leben zwischen den Sternen bestimmt war. Aber es
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