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Der Aufbewarier (German Edition)

Der Aufbewarier (German Edition)

Titel: Der Aufbewarier (German Edition)
Autoren: Béla Bolten
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möglich auf und blickte in die Wohnung. Die Luft schien rein zu sein, vermutlich hatte sich seine Vermieterin wie gewöhnlich zu einem Mittagsschläfchen hingelegt. Er öffnete die Tür und ging auf Zehenspitzen über den langen Korridor, an dessen Ende sich sein Zimmer befand. Erst als er die Tür geöffnet hatte, winkte er Carla. Sie hielt ihre Schuhe in der Hand und schlich auf Strümpfen durch die Wohnung. Als sie Dauts Zimmer betreten und er die Tür hinter ihr geschlossen hatte, prustete sie los.
    »Als wären wir Backfische auf dem Weg ins erste Liebesnest.«
    »Psst, nicht so laut, Carla. Die Alte hat einen sehr leichten Schlaf.«
    Innerlich amüsierte sich Daut genauso über sein Verhalten. Aber die Witwe Engelmann, bei der er nach Luises Wegzug ins Münsterland als »möblierter Herr« untergekommen war, wachte wie ein Zerberus darüber, dass er keinen Damenbesuch hatte. Ihn beschlich langsam der Verdacht, sie stünde mit seiner Frau in Kontakt und überwache ihn in ihrem Auftrag.
    Carla zog sich den klobigen Wintermantel aus, warf ihn nachlässig auf das mit einer geblümten Tagesdecke versehene Bett und setzte sich auf einen der beiden Holzstühle. Dauts Zimmer war ein schmaler, fünf Meter langer Schlauch, der trotz der wenigen Möbel überfüllt wirkte. Das Bett, der klapprige Kleiderschrank, ein quadratischer Tisch mit zwei Stühlen und der Plattenschrank mit dem Grammophon - das Einzige, was Daut aus der großen Wohnung in der Sedanstraße mitgenommen hatte - mehr Mobiliar gab es nicht. Durch das kleine Fenster an der Längsseite des Raumes fiel nur wenig Licht, zumal es auf den Innenhof hinausging.
    »Du siehst hungrig aus, Carla, kommst mir eh jedes Mal dünner vor.«
    »Die Rationen sind halt knapp, wenn einer nur eine Judenkarte hat.«
    »Ich habe noch eine halbe Dauerwurst, und ein Kanten Brot müsste auch noch da sein. Ich schmiere uns schnell eine Stulle.«
    In der Küche räusperte sich Daut leise, um den Kloß im Hals loszuwerden. Als Carla die »Judenkarte« ihres Mannes mit den knappen Rationen erwähnte, stand ihm sofort wieder der geschundene Mann am »Clou« vor Augen. Auch er war spindeldürr gewesen. Er schnitt zwei dicke Scheiben vom klebrigen Kastenbrot, legte sie auf einen Teller und klemmte sich die in Papier eingewickelte Hartwurst unter den Arm.
    Carla aß hastig. Er wartete, bis sie den letzten Bissen geschluckt hatte, ehe er fragte:
    »Du hast doch etwas auf dem Herzen, also raus damit.«
    Sie wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
    »Kurt ist verhaftet worden.«
    »Wo? Wann?« Daut fragte es fast atemlos. Wieder sah er die Bilder vom »Clou« und hörte den alten Mann leise stöhnen.
    »Heute Morgen bei Borsig. Ich hatte ihn noch angefleht, nicht zur Arbeit zu gehen. Es gab eine Warnung. Aber Kurt ...«
    Sie sprach den Satz nicht aus, und Daut fragte nicht, wer sie gewarnt hatte. Er musste nicht alles wissen. Falsch, er wollte es nicht.
    »Bitte, Axel, versuche herauszufinden, wohin sie Kurt gebracht haben. Ich muss es wissen, die Ungewissheit macht mich fertig.«
    Daut verstand gut, was sie meinte. Er nickte ihr zu, streichelte kurz mit der Hand über ihren Arm.
    »Ich mach uns dann mal noch ein Brot. Es hilft niemandem, wenn du vom Fleisch fällst.«

Sechs
     
    »Axel, wachen Sie auf! Besuch für Sie.«
    Daut versuchte, das Klopfen an der Tür zu ignorieren, aber es ging penetrant weiter.
    »Aufwachen! Besuch!«
    Die Engelmann gab nicht so schnell auf, also brummte er:
    »Was zum Teufel ist denn?«
    »Der Herr Kriminalkommissar ist hier. Er möchte Sie abholen. Er sagt, es sei wichtig.«
    Daut brauchte einen Moment, bis er realisierte, dass es sich nur um Rösen handeln konnte. Die Engelmann kannte keinen anderen Kriminalkommissar, jedenfalls soweit er das wusste. Er brummte, dass er gleich kommen würde, setzte sich im Bett auf und sah auf die Uhr. Fünf vor vier. Er hatte also gerade einmal zwei Stunden geschlafen, nachdem Carla gegangen war. Er stieg in die Hose und zog sich das Hemd nachlässig an. Bevor er mit irgendjemandem sprechen wollte, brauchte er einen Schwung Wasser ins Gesicht und eine Rasur. Er schlurfte über den Flur ins Bad. Aus der Küche hörte er Gelächter. Daut empfand es immer noch als Geschenk, nicht über das Treppenhaus zur Toilette gehen zu müssen. Und die Badewanne war im Vergleich zu seiner früheren Wohnung der pure Luxus.
    Nachdem er sich rasiert und die Uniform angezogen hatte, ging er in die Küche. Rösen saß mit der Witwe am
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