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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers
Autoren: Deon Meyer
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Dunkelheit verschmolzen und die Sterne magisch ihre silbernen Augen am himmlischen Firmament öffneten. Er und der
     Junge, eng aneinandergedrückt, mit ihren Rücken an der Wand.
    »Hier ist es wunderschön, Thobela.«
    Tiefe Zufriedenheit lag in Pakamiles Seufzen, und Thobela war unendlich erleichtert, denn erst einen Monat zuvor war |10| die Mutter des Jungen gestorben, und er hatte nicht wissen können, wie er auf die Veränderung der Umstände und der Umgebung
     reagieren würde.
    Sie sprachen über Vieh, das sie kaufen wollten, ein oder zwei Milchkühe, ein paar Hühner (»… und einen Hund, Thobela, bitte,
     einen großen alten Hund«). Ein Gemüsegarten vor der Hintertür. Luzerne unten am Flußufer. Sie hatten in jener Nacht ihre Träume
     geträumt, bis Pakamiles Kopf gegen seine Schulter gesunken war und er den Jungen sanft auf die Decke auf den Boden gelegt
     hatte. Er hatte ihn auf die Stirn geküßt und gesagt: »Gute Nacht, mein Sohn.«
    Pakamile war nicht sein eigener Sohn. Er war der Sohn der Frau, die er geliebt hatte, und so war der Junge zu seinem Sohn
     geworden. Sehr schnell hatte er begonnen, ihn zu lieben wie sein eigen Fleisch und Blut, und in den Monaten nach dem Umzug
     hatte er mit dem langen Prozeß begonnen, das offiziell zu machen – er hatte Briefe geschrieben, Formulare ausgefüllt und sich
     befragen lassen. Langsame Bürokraten mit merkwürdigen Ansichten mußten entscheiden, ob er geeignet war, ein Elternteil darzustellen,
     wo doch die ganze Welt sehen konnte, daß die Verbindung zwischen ihnen unzerbrechlich geworden war. Aber schließlich, nach
     vierzehn Monaten, waren die offiziellen Unterlagen angekommen, die in langatmiger, umständlicher Behördensprache den Segen
     für die Adoption gaben.
    Und jetzt waren diese gelbweißen Blätter alles, was er noch hatte. Sie und ein Häufchen Erde unter den Pfefferbäumen am Fluß.
     Und die Worte des Priesters, die ihm helfen sollten: »Gott tut nichts ohne Grund.«
    Herr, wie er den Jungen vermißte.
    Er konnte nicht begreifen, daß er nie wieder sein Kichern hören würde. Oder seine Schritte im Flur. Niemals langsam, immer
     eilig, als wäre das Leben zu kurz zum Gehen. Oder wie der Junge seinen Namen von der Haustür aus rief, die Stimme voll Begeisterung
     über irgendeine Neuentdeckung. Er konnte sich nicht vorstellen, daß er niemals wieder spüren würde, wie |11| sich Pakamiles Arme um ihn schlangen. Das mehr als alles andere – der Kontakt, die vollkommene Akzeptanz, die vorbehaltlose
     Liebe.
    Es war seine Schuld.
    Es gab keinen Moment des Tages oder der Nacht, in dem er nicht an die Ereignisse an der Tankstelle dachte und sie voller Selbsthaß
     wieder und wieder durchging. Er hätte es sofort begreifen müssen, als er den Polo im Leerlauf an der Tanksäule stehen sah.
     Er hätte schneller reagieren müssen, als er den ersten Schuß hörte, da hätte er sich schon über den Jungen werfen müssen,
     er hätte ein Schild sein müssen,
er
hätte die Kugel abbekommen müssen. Er. Es war seine Schuld.
    Der Verlust war wie ein schwerer Stein in ihm, eine unerträgliche Last. Was sollte er jetzt tun? Wie konnte er leben? Er konnte
     sich nicht einmal Morgen vorstellen, weder das Gefühl noch die Möglichkeit an sich. Im Wohnzimmer klingelte das Telefon, aber
     er wollte nicht aufstehen – er wollte hier bei Pakamiles Sachen bleiben.
    Er bewegte sich langsam, war eingezwängt von Gefühlen. Warum konnte er nicht weinen? Das Telefon klingelte. Warum konnte er
     nicht trauern?
    Plötzlich hielt er den Hörer in der Hand und die Stimme fragte: »Mr. Mpayipheli? Wir haben sie, Mr. Mpayipheli. Wir haben
     sie gefangenengenommen. Wir möchten, daß Sie die Männer identifizieren.«
    Später öffnete er den Safe und legte die Unterlagen vorsichtig ganz oben hinein. Darunter seine Feuerwaffen, alle drei: Pakamiles
     Luftgewehr, die .22er und das Jagdgewehr. Er nahm das Gewehr und ging in die Küche.
    Als er die Waffe methodisch und konzentriert reinigte, wurde ihm langsam klar, daß Schuld und Verlust nicht alles waren, was
     er empfand.
     
    »Ich frage mich, ob er gläubig war«, sagte sie. Der Priester hörte ihr aufmerksam zu. Sein Blick wanderte nicht mehr länger
     zu der Kiste hinüber.
    |12| »Im Gegensatz zu mir.« Diese Referenz auf sich war ungeplant, und sie fragte sich für einen Moment, warum sie es gesagt hatte.
     »Vielleicht ging er nicht in die Kirche oder so, aber möglicherweise war er gläubig. Und vielleicht
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