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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers
Autoren: Deon Meyer
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waren, der die Angeklagten angegriffen hat, als sie die Tankstelle verließen?«
    »Absolut nicht.«
    »Sie haben das nicht vergessen?«
    »Euer Ehren, die Verteidigung …«
    »Mr. Singh!«
    »Euer Ehren, der Angeklagte … entschuldigen Sie, der Zeuge weicht der Frage aus.«
    »Nein, Mr. Singh, Sie sind derjenige, der den Zeugen bedrängt.«
    »Nun gut. Mr. Mpayipheli, Sie sagen, Sie haben die Angeklagten nicht bedroht?«
    »Das habe ich nicht.«
    |20| »Sie hatten keinen Wagenheber oder etwas Ähnliches …«
    »Einspruch, Euer Ehren, der Zeuge hat die Frage bereits beantwortet.«
    »Mr. Singh …«
    »Ich habe keine weiteren Fragen an diesen Lügner, Euer Ehren …«

4
    »Ich denke, er glaubte, er könnte alles in Ordnung bringen. Alles«, sagte sie in dem dämmrigen Zimmer. Die Sonne war hinter
     den Hügeln der Stadt versunken, und das Licht, das in den Raum drang, war sanfter geworden. So fiel es ihr leichter zu erzählen,
     dachte sie, und fragte sich, warum.
    »Das ist das, was ich am meisten bewundert habe. daß jemand aufgestanden ist und etwas getan hat, wovor wir anderen uns fürchten,
     auch wenn wir es tun wollen. Ich hatte nie den Mut dazu. Ich war zu verängstigt, um mich zu wehren. Und dann habe ich in der
     Zeitung von ihm gelesen und begann mich zu fragen: Vielleicht kann ich auch …«
    Sie zögerte einen Moment, dann fragte sie mit angehaltenem Atem: »Wissen Sie von Artemis, Hochwürden?«
    Zuerst reagierte er nicht, er saß regungslos da, leicht nach vorn gebeugt, fasziniert von der Geschichte, die sie erzählte.
     Dann zwinkerte er, konzentrierte sich.
    »Artemis? Äh, ja …«, sagte er zögernd.
    »Über den die Zeitungen geschrieben haben.«
    »Die Zeitungen …« Es schien ihm peinlich zu sein. »Manche Dinge gehen an mir vorbei. Jede Woche etwas Neues. Ich bin nicht
     immer auf dem laufenden.«
    Darüber war sie erleichtert. Ihre Rollen hatten sich ein ganz klein wenig verschoben – er war ein Kleinstadt-Priester, sie
     war weltgewandt, sie wußte Bescheid. Sie streifte die Sandale von einem ihrer Füße und schlug ihn unter, suchte eine bequemere
     Position im Sessel. »Ich werde Ihnen davon erzählen«, erklärte sie selbstsicherer.
    |21| Er nickte.
    »Ich war in Schwierigkeiten, als ich das erste Mal von ihm las. Ich war in Kapstadt. Ich war …« Sie zögerte den Bruchteil
     einer Sekunde und fragte sich, ob es ihn empören würde. »Ich war eine Prostituierte.«
     
    Um halb elf in jener Nacht lag er noch wach auf seinem Hotelbett, als jemand leise an seiner Tür klopfte, entschuldigend.
     Es war die Staatsanwältin, ihre Augen groß hinter den Brillengläsern.
    »Tut mir leid«, sagte sie, aber sie sah bloß müde aus.
    »Kommen Sie herein.«
    Sie zögerte einen Moment, und er wußte, warum: Er trug nur seine Shorts, sein Körper glänzte vor Schweiß. Er drehte sich um
     und griff nach seinem T-Shirt, er bedeutete ihr, sich in den einzigen Sessel zu setzen. Er nahm am Fußende des Bettes Platz.
    Sie setzte sich auf die Sesselkante; ihre Hände faltete sie in den dunklen Stoff ihres Rocks über den stämmigen Beinen. Sie
     wirkte angespannt, als wäre sie gekommen, um wichtige Dinge zu besprechen.
    »Was ist da heute vor Gericht passiert?« fragte er.
    Sie zuckte mit den Achseln.
    »Er wollte
mir
die Schuld geben. Der Inder.«
    »Er hat bloß seine Arbeit getan. Das ist alles.«
    »Seine Arbeit?«
    »Er muß sie verteidigen.«
    »Mit Lügen?«
    »Vor Gericht gibt es keine Lügen, Mr. Mpayipheli. Bloß verschiedene Versionen der Wahrheit.«
    Er schüttelte den Kopf. »Es gibt nur eine Wahrheit.«
    »Glauben Sie wirklich? Und welches ist dann diese eine Wahrheit über Sie? Daß Sie Farmer sind? Vater? Soldat? Oder Drogendealer?
     Ein Flüchtling, der von der Polizei gesucht wird?«
    »Das hat alles nichts mit Pakamiles Tod zu tun«, sagte er, und die Wut schlich sich in seine Stimme.
    |22| »Als Singh es vor Gericht aufgebracht hat, wurde es Teil seines Todes, Mr. Mpayipheli.«
    Wut überflutete ihn, er war unvorstellbar frustriert. »Es heißt immer Mister hier, Mister da, alle sind so höflich und erheben
     Einspruch und spielen ihre kleinen juristischen Spiele … Und die zwei sitzen da und lachen.«
    »Deswegen bin ich hergekommen«, sagte sie. »Um Ihnen zu sagen: Sie sind entkommen.«
    Er wußte nicht, wie lange er dasaß und sie anstarrte.
    »Einer von ihnen hat einen Polizisten übermannt. In der Zelle, als er ihnen Essen brachte. Er hatte eine Waffe, ein
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