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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers
Autoren: Deon Meyer
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auf seinen Wangen sproß,
     seit der Junge gestorben war, bedeckte dicht und grau Kinn und Schläfen. Er sah harmlos aus, weise und unerschütterlich.
    Die Augen faszinierten ihn. Waren das seine? Sie reflektierten kein Licht, als wären sie im Inneren leer und tot.
    Am späten Nachmittag lag er auf seinem Hotelbett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, regungslos.
    Er erinnerte sich: Pakamile im Schuppen hinter dem Haus, er melkte zum ersten Mal eine Kuh, drückte zu fest, hatte es zu eilig.
     War frustriert, daß die Zitzen nicht auf das Gezappel seiner kleinen Finger reagierten. Und dann war doch noch ein dünner
     weißer Strahl hervorgeschossen, spritzte auf den Boden des Schuppens, und der Junge jubelte stolz: »Thobela! Sieh nur!«
    Das kleine Männchen in der Schuluniform, das jeden Nachmittag auf ihn wartete, Socken auf Halbmast, die Hemdzipfel |15| hingen aus der Hose, der Schulranzen war unnatürlich groß. Die Freude jeden Tag, wenn er vorfuhr. Wenn er auf dem Motorrad
     kam, schaute Pakamile sich zuerst um, denn er wollte sehen, ob seine Freunde das außerordentliche Ereignis beobachten konnten,
     diese einzigartige Maschine, mit der nur er das Recht hatte, nach Hause zu fahren.
    Manchmal übernachteten seine Freunde bei ihnen; vier, fünf, sechs Jungen, die mit Pakamile über die Farm streiften. »Mein
     Vater und ich haben das ganze Gemüse selbst gepflanzt.« »Das ist das Motorrad meines Vaters, und das hier ist meins.« »Mein
     Vater hat all diese Luzerne selbst gepflanzt, Wahnsinn.« Ein Freitagabend … alle im Weihnachtsbett im Wohnzimmer, zusammengequetscht
     wie Sardinen in der Dose. Das Haus bebte vor Leben. Das Haus war voll. Voll.
    Die Leere des Zimmers um ihn herum überwältigte ihn. Die Stille, der Kontrast. Irgendwo in ihm stellte er sich die Frage:
     Was nun? Er versuchte sie durch Erinnerungen zu ersticken, aber sie hallte trotzdem wider. Er dachte lange darüber nach, aber
     er wußte, ohne es genau formulieren zu können, daß Miriam und Pakamile sein Leben gewesen waren. Und jetzt war da nichts.
    Er erhob sich einmal, um sich zu erleichtern und Wasser zu trinken, dann legte er sich wieder hin. Die Klimaanlage zischte
     und gurgelte unterhalb des Fensters. Er starrte an die Decke und wartete, daß die Nacht verging und der Prozeß anfing.
     
    Die Angeklagten saßen Seite an Seite: Khoza und Ramphele. Sie schauten ihm in die Augen. Neben ihnen erhob sich der Verteidiger,
     ein Inder, groß gewachsen und athletisch schlank, elegant in einem modisch schwarzen Anzug und mit lilafarbener Krawatte.
    »Mr. Mpayipheli, als die Staatsanwältin Sie fragte, was Ihr Beruf sei, sagten Sie, Sie seien Farmer.«
    Er antwortete nicht, denn es war keine Frage.
    »Ist das richtig?« Der Inder hatte eine beruhigende Stimme, so intim, als wären sie alte Freunde.
    |16| »Allerdings.«
    »Aber es ist nicht die ganze Wahrheit, oder?«
    »Ich weiß nicht, was …«
    »Wie lange sind Sie schon ein sogenannter Farmer, Mr. Mpayipheli?«
    »Zwei Jahre.«
    »Und welchen Beruf haben sie ausgeübt, bevor Sie Farmer wurden?«
    Die Staatsanwältin, die ernste Frau mit der Goldrandbrille, erhob sich. »Einspruch, Euer Ehren. Mr. Mpayiphelis Lebenslauf
     ist irrelevant für diese Gerichtsverhandlung.«
    »Euer Ehren, diese Informationen über den Zeugen sind nicht nur relevant für seine Zuverlässigkeit als Zeuge, sondern auch
     für sein Verhalten an der Tankstelle. Die Verteidigung hat ernsthafte Zweifel an Mr. Mpayiphelis Bericht über die Ereignisse.«
    »Ich erlaube Ihnen, fortzufahren«, sagte der Richter, ein weißer Mann mittleren Alters mit einem Doppelkinn und roter Haut.
     »Beantworten Sie die Frage, Mr. Mpayipheli.«
    »Welchen Beruf haben Sie ausgeübt, bevor Sie Farmer wurden?« wiederholte der Anwalt.
    »Ich habe als Aushilfe bei einem Motorradhändler gearbeitet.«
    »Wie lange?«
    »Zwei Jahre.«
    »Und davor?«
    Sein Herz begann zu rasen. Er wußte, daß er nicht zögern, nicht unsicher wirken dürfte.
    »Ich war Bodyguard.«
    »Bodyguard.«
    »Ja.«
    »Lassen Sie uns noch einen Schritt weiter zurückgehen, Mr. Mpayipheli, bevor wir zu Ihrer Antwort zurückkehren. Was haben
     Sie getan, bevor Sie, wie Sie sagen, Bodyguard waren?«
    Wo hatte der Mann nur diese Informationen her? »Ich war Soldat.«
    |17| »Soldat.«
    Thobela antwortete nicht. Ihm war heiß in Anzug und Krawatte. Er spürte, wie der Schweiß ihm über den Rücken lief. Der Inder
     blätterte in den Unterlagen, die vor ihm auf dem
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