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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers
Autoren: Deon Meyer
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konnte er nicht verstehen,
     warum ihm der Herr erst gab und dann wieder nahm. Erst seine Frau, dann auf der Farm sein Kind. Er dachte, er würde bestraft.
     Ich frage mich, warum? Warum denken das alle, wenn etwas Schlimmes geschieht? Ich auch. Das ist doch merkwürdig. Ich habe
     auch nie herausgefunden, wofür ich bestraft wurde.«
    »Als Ungläubige?« fragte der Priester.
    Sie zuckte mit den Achseln. »Ja. Ist das nicht komisch? Als trügen wir die Schuld in uns. Manchmal frage ich mich, ob wir
     für die Dinge bestraft werden, die wir in der Zukunft tun werden. Denn meine Sünden kamen erst später, lange nachdem ich bestraft
     worden war.«
    Der Priester schüttelte den Kopf und holte Atem, als wollte er antworten, aber sie wollte jetzt nicht abgelenkt werden, sie
     wollte nicht den Rhythmus ihrer Geschichte verlieren.
     
    Sie waren unerreichbar. Acht Männer standen hinter einem Einwegspiegel, aber Thobela konnte sich nur auf die beiden konzentrieren,
     die er so haßte. Sie waren jung und schauten herausfordernd gleichgültig, ihre Münder formten ein rotziges Grinsen, ihr Blick
     starrte arrogant in Richtung des Spiegels. Einen Augenblick dachte er daran, zu behaupten, daß er keinen von ihnen erkannte,
     und dann mit dem Jagdgewehr vor der Polizeiwache auf sie zu warten … Aber er war nicht darauf vorbereitet, er hatte die Ausgänge
     und Straßen nicht beachtet. Er hob seinen Finger wie einen Gewehrlauf und sagte zu dem Superintendent: »Da sind sie, Nummer
     drei und Nummer fünf.« Er erkannte den Klang seiner eigenen Stimme nicht, es waren die Worte eines Fremden.
    »Sind Sie sicher?«
    »Todsicher«, sagte er.
    »Drei und fünf?«
    |13| »Drei und fünf.«
    »Das haben wir uns gedacht.«
    Sie baten ihn, eine Aussage zu unterschreiben. Mehr konnte er nicht tun. Er ging zu seinem Bakkie, schloß die Tür auf und
     stieg ein, er war sich des Gewehrs hinter dem Sitz bewußt, dachte an die beiden Männer irgendwo in dem Gebäude. Er saß da
     und fragte sich, was der Superintendent tun würde, wenn er fragte, ob er kurz mit ihnen allein sein könnte, denn er verspürte
     den Drang, ihnen eine lange Klinge in die Herzen zu stoßen. Sein Blick ruhte einen Moment auf der Eingangstür der Polizeiwache,
     dann drehte er den Schlüssel im Zündschloß und fuhr langsam davon.

3
    Die Staatsanwältin war eine Xhosa, und ihr Büro war voller blaßgelber Akten, die sie zu bearbeiten hatte. Sie lagen überall
     herum. Der Schreibtisch war voll davon, die Stapel okkupierten zwei Tische und den Boden, sie mußten wie die Störche zu ihren
     Sesseln staksen. Sie wirkte deprimiert und ein wenig geistesabwesend, als wäre ihre Aufmerksamkeit verteilt auf die zahllosen
     Fälle, als wäre die Verantwortung ihrer Aufgabe manchmal zu schwer für sie.
    Sie erklärte. Sie war diejenige, die Anklage erheben würde. Sie mußte ihn auf seine Zeugenaussage vorbereiten. Gemeinsam mußten
     sie den Richter überzeugen, daß die Angeklagten schuldig waren.
    Das wäre leicht, sagte er.
    Es ist nie leicht, entgegnete sie und rückte ihre große Goldrandbrille mit den Spitzen von Daumen und Zeigefinger zurecht,
     als könnte sie niemals wirklich gut sitzen. Sie befragte ihn über den Tag, an dem Pakamile gestorben war, wieder und wieder,
     bis sie alles durch seine Augen sehen konnte. Als sie fertig waren, fragte er, welche Strafe der Richter verhängen würde.
    »Falls sie schuldig gesprochen werden?«
    |14| »Wenn sie schuldig gesprochen werden«, entgegnete er zuversichtlich.
    Sie rückte ihre Brille zurecht und sagte, das könnte man nie vorhersagen. Einer von ihnen, Khoza, war bereits vorbestraft.
     Aber es war Rampheles erstes Vergehen. Und man dürfte nicht vergessen, daß sie das Kind nicht absichtlich getötet hatten.
     »Nicht absichtlich?«
    »Sie werden aussagen, daß sie das Kind nicht einmal gesehen haben. Nur Sie.«
    »Was für eine Strafe werden sie bekommen?«
    »Zehn Jahre. Fünfzehn? Das kann ich nicht sagen.«
    Er starrte sie einen langen Augenblick lang an.
    »So ist das System«, sagte sie und zuckte mit den Achseln, als wollte sie sich entschuldigen.
     
    Am Tag vor der Gerichtsverhandlung fuhr er mit seinem Bakkie nach Umtata, weil er ein paar Krawatten, ein Jackett und schwarze
     Schuhe kaufen mußte.
    In seinen neuen Klamotten stand er vor dem langen Spiegel. Der Verkäufer sagte: »Das sieht
phantastisch
aus«, aber er erkannte sich nicht im Spiegelbild – das Gesicht war ihm unbekannt, und der Bart, der
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