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Der Atem der Angst (German Edition)

Der Atem der Angst (German Edition)

Titel: Der Atem der Angst (German Edition)
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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Tastend rollte Heidi aus dem Schwarz der Nacht bis zur Einfahrt, hielt an, nahm ihr Funkgerät und stieg aus. Lautlos drückte sie die Wagentür zu und zog die Waffe. Das Tor zum Werk stand offen.
    Schritt für Schritt bewegte sie sich über die aufgeworfene Erde, die mit Sägespänen bedeckt war. Es roch nach Wald, über ihr wogten die blätterlosen Baumkronen im merkwürdig warmen Wind. Die Äste knarrten und ab und an fiel ein trockenes Ästchen zu Boden. Der rote Pick-up war verschwunden, stattdessen stand Jens Geländewagen vor dem Schuppen.
    Nur noch ein paar Meter. Da erhob sich plötzlich das Kreischen der Säge. Jemand hatte sie angeworfen. Heidi presste die Kieferknochen aufeinander, als würde das helfen, sich nicht vorzustellen, was da drinnen los war. Sollte sie auf ihre Kollegen warten? Sie würden gleich eintreffen. Sollte sie warten?
    Die Waffe mit beiden Händen umfasst, schlich Heidi sich ganz nah an den Schuppen heran. Mit dem Rücken an der Wand näherte sie sich dem Fenster. Sie war jetzt wieder Kommissarin. Sie hatte keine Zeit, sich Sorgen zu machen, keine Zeit, Angst zu haben. Sie hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Drinnen ging die Säge wieder aus. Ihre Hände umklammerten die Waffe. Ihr Finger lag auf dem Abzug. Sie hatte festes Schuhwerk an. Gut. Sie schluckte, blies die Luft aus und drehte sich langsam dem Fenster zu, durch das sie in den hellen Schuppen sah.
    Auf den ersten Blick wirkte es darin fast gemütlich. Die alte Kutsche, Holzbalken. Warmes Licht fiel aus den runden Lampen, die von den Balken der Decke herabhingen. Wo war Jens?
    Sie entdeckte ihn hinter einem Holzbalken. Neben ihm stand jemand auf einem Stuhl. Heidi kniff die Augen zusammen. Himmel! Es war Robert. Er hatte eine Schlinge um den Hals. Was sollte das werden? Jens konnte jederzeit den Stuhl unter ihm wegtreten, dann hing er im Seil. Oder sollte Robert das selbst tun? Noch ein Selbstmord, der keiner war? Sollte er sich opfern, so wie sich alle Eltern hatten opfern müssen? Wo war sein Sohn? Wo war Louis?
    Heidis Blick schoss durch den Schuppen. Da! Da war er! Er war der Länge nach auf einen Baumstamm gefesselt, der vor der Kreissäge lag. Jetzt ging Jens hinüber zur Säge und schaltete sie wieder ein. Die Maschine heulte auf, und der Baumstamm, auf dem Louis lag, wurde langsam in Richtung des rotierenden Sägeblattes gezogen. Kreischend fraß es sich ins Holz. Zentimeter für Zentimeter kam Louis der Säge näher.
    Robert wurde unruhig auf seinem Stuhl. Jens schaltete die Säge wieder aus. Heidi wandte sich vom Fenster ab und lief um die Ecke des Schuppens, in Richtung Eingang.
    Ihr Funkgerät knackte. Henner. Er war kaum zu verstehen. Vermutlich brauchten sie noch etwas Zeit. Schnell schaltete Heidi das Gerät aus. Sie konnte nicht mehr warten. Und sie durfte keinen Laut von sich geben.
    Vorsichtig zog sie die schwere Holztür einen Spaltbreit auf und schob sich, die Waffe in den ausgestreckten Händen, in den Schuppen. Jens stand mit dem Rücken zu ihr. Ihren Blick fest auf seinen Hinterkopf gerichtet, schlich sie näher, bis sie hinter der alten Kutsche Deckung fand.
    Sie hörte seine dröhnende Stimme. » Also, Robert. Bist du bereit? Willst du deinem Sohn noch irgendetwas sagen? Zum Beispiel: Schade, dass wir nie einen tollen Strandurlaub zusammen gemacht haben? Irgendwie so was?«
    Jens trat dicht an den Stuhl heran, auf dem Robert stand, die Schlinge um den Hals. » Bedankt euch bei der Schlampe Bella. Die hat euch in diese Situation gebracht. Aber anstatt sich das Werk anzuschauen, das ich gleich an euch vollbringen werde, hat sie sich einfach verpisst. Hat sich einfach vom Acker gemacht. Sie hätte die Geschichte ruhen lassen sollen. Aber die dumme Trine kam nicht darüber hinweg, dass ihr Kind dran glauben musste, um mein Geheimnis zu bewahren. Sie wollte es mir heimzahlen, damit ich weiß, wie weh so was tut.«
    Jens atmete tief ein und aus.
    Geduckt schlich Heidi näher heran und verschanzte sich hinter einem der Holzbalken. Louis war ganz ruhig. Er schien ohnmächtig zu sein. Jens redete weiter auf Robert ein, der keine Miene verzog. Nur die Schweißperlen auf seiner Stirn verrieten, dass er Angst hatte. » Ja, ich weiß jetzt, wie es ist, wenn einem das Liebste genommen wird. Es macht einen zum Tier. Es lässt einen nicht mehr ruhig schlafen, bis man an nichts anderes mehr denken kann, als daran, den Schmerz zu teilen. Bella hat es bewundernswerterw eise e xtrem lange ausgehalten. So leidensfähig bin ich
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