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Der Atem der Angst (German Edition)

Der Atem der Angst (German Edition)

Titel: Der Atem der Angst (German Edition)
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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ihrem Kopf schien es gewaltig zu arbeiten, ohne dass sie tätig wurde. Doch sie verloren hier gerade viel Zeit. Lebensrettende Zeit. Wenn Louis überhaupt noch am Leben war. Der Mann hatte nicht den Eindruck gemacht, als würde er mit sich reden lassen.
    Maya fasste nach Heidis Hand. Sie sollte endlich etwas tun. Nicht so rumstehen. Louis war diesem riesigen Mann mit der Skimaske vollkommen ausgeliefert. Er würde ihn umbringen. Nicht noch ein geliebter Mensch! Nicht noch einer.
    Heidi blickte Maya nachdenklich an. » Er hat also nur gesagt, dass sich Louis’ Vater für ihn opfern muss. Mehr nicht?«
    Maya nickte. Hatte er nicht noch etwas gesagt? Er hatte doch noch etwas gesagt. Jetzt fiel es Maya wieder ein. Mit seiner widerwärtigen Stimme hatte er gesagt, was er vorhatte. Schnell zog Maya den Block zu sich heran und schrieb wieder fein säuberlich das Furchtbare auf:
    Er will Louis seelenruhig auseinandernehmen und ihn richtig leiden lassen
    Heidi las, was Maya geschrieben hatte. Las es noch einmal. Und plötzlich machte sie einen seltsamen Hüpfer, als hätte sie einen Stromschlag bekommen. » Sie sind zum Sägewerk. Natürlich!«
    Ja. Maya sackte in sich zusammen. Bestimmt waren sie zum Sägewerk. In ihren Ohren rauschte es. Ihre Augen fielen zu, mit Macht stemmte sie die Lider wieder auf. Ihr gesamter Organismus wollte aufgeben, um nichts mehr von all dem mitzubekommen. Maya fühlte, wie Heidi sich neben ihr bewegte, wie sie eine Nummer ins Handy eingab und es sich anschließend ans Ohr hielt.
    Maya hörte Heidi ungeduldig schnaufen. Dann endlich schien jemand am anderen Ende dranzugehen. » Meine Güte! Henner! Warum dauert das so lange? Wir brauchen sofort vier Einsatzwagen zum Sägewerk. Außerdem drei Notarztwagen. Die Kollegen sollen sich möglichst unauffällig nähern. Also kein Blaulicht. Kein Martinshorn. Ich werde vor euch da sein. Erst Zugriff, wenn ich das Zeichen gebe. Verstanden?«
    Draußen vor dem Küchenfenster hielt der Notarztwagen. Heidi verschwand aus der Küche und kam kurz darauf mit den Sanitätern zurück. Liebevoll strich sie Maya über den Arm. » Es wird alles gut. Glaub mir.«
    Maya nickte. Wie oft hatte sie in ihrem Leben schon gehört und gehofft, dass alles gut werden würde. Und es hatte nie gestimmt. Einer der Sanitäter kniete direkt vor ihr. Verschwommen sah sie seine leuchtend orangefarbene Jacke. Er schien zu lächeln. » Dann wollen wir mal.« Behutsam betastete er Mayas geschwollenes Gesicht. An ihrem Arm spürte sie einen sanften Pieks. Was, wenn das auch einer von den Widerwärtigen war? Das war das Letzte, was sie bewusst mitbekam.

71 . HEIDI
    Heidi raste durch die Nacht. Hier draußen, außerhalb von St. Golden, war der Himmel schwarz. War die Welt schwarz. Nur die Scheinwerfer ihres Wagens schoben sich hell wie zwei kleine Sonnen über die dunkle Landstraße, in Richtung Wald. Diese Dunkelheit konnte einen verschlucken, sodass man nie wieder aus ihr herausfinden würde. Weit vorne zwischen den Bäumen flimmerte, wenn sie genau hinsah, schales Licht. Dorthin musste sie. Was, wenn Jens Louis gar nicht zum Sägewerk gebracht hatte? Wohin sonst?, versuchte sie sich zu beruhigen. Aber es half nichts. Der quälende Gedanke, dass sie wieder zu spät kommen könnte, um einem Jugendlichen das Leben zu retten, wollte sie nicht mehr loslassen. Sie hätte Louis und Maya niemals allein lassen dürfen!
    Sie kuppelte, drückte das Gaspedal runter und schoss über den Asphalt. Heidi spürte ihr Herz schlagen, deutlicher als je zuvor in ihrem Leben. Sie fuhr nicht als Kommissarin, um einen Unschuldigen aus den Händen eines Mörders zu retten. Sie fuhr als Mutter einem Albtraum entgegen, von dem sie nicht wusste, wie er ausgehen würde.
    Über das Funkgerät, das auf dem Beifahrersitz lag, hörte sie, dass schon Verstärkung zum Sägewerk unterwegs war. Doch wie es aussah, würde sie die Erste sein, die eintraf. Wie viel Vorsprung hatte sie? Fünf Minuten? Drei?
    Vielleicht war dieser Albtraum auch schon vorbei, wenn sie ankam. Sie wollte sich nicht vorstellen, was sie vorfinden würde. Wie lange war Louis schon in der Gewalt von Jens? Kam sie noch rechtzeitig? Oder zu spät? Wieder einmal zu spät?
    Auf dem letzten Stück der Straße drosselte Heidi die Geschwindigkeit und schaltete die Scheinwerfer aus. Das Werk lag unter dem kalten Neonlicht der Außenbeleuchtung da. Die Gebäude waren dunkel, nur aus dem Fenster des Sägeschuppens drang Licht. Da drinnen mussten sie sein.
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