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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod
Autoren: A Jonuleit
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Barbara mein größter Risikofaktor war: Entweder würde sie erkennen, dass du nicht Max bist. Alles würde auffliegen. Oder aber sie würde versuchen, »ihren Max« zurückzugewinnen.
    Ich habe tatsächlich geglaubt, es wäre ihr gelungen.
     
    Wie kann ich mit meiner Schuld weiterleben?
    Ich bitte dich, mir zu verzeihen.
     
    In Liebe, Anouk
     
    Ich saß da, betäubt, ein Automat, der atmete und blinzelte.
    All das hatte ich längst gewusst!
    Wenn Anouk sich mir doch früher anvertraut hätte, in L.   A. oder in Prag, dann wäre noch Zeit gewesen. Und vielleicht würde dann wenigstens Giaconuzzi noch leben.
    Es beunruhigte mich außerdem immens, dass dieser Brief keinen auch noch so vagen Hinweis darauf enthielt, was Anouk jetzt vorhatte.
    Und ich? Was würde ich nun tun? Ich ließ die Gedanken kommen und gehen.
     
    Nach einer gefühlten Ewigkeit schreckte mich der Staubsauger im Nebenzimmer auf. Das Leben ging weiter, die Arbeit, der ewige Kreislauf.
    Wie elektrisiert sprang ich auf. In ein paar Tagen war der 25.! Das Einzige, was ich mit Gewissheit wusste, war, dass ich am 25.
nicht
in Moskau sein würde. Aber hatte ich mich nicht schon zu weit auf diese Bande eingelassen? Würden sie mich umbringen, falls ich nun aussteigen wollte? Ich kannte die Gepflogenheiten in diesen Kreisen nicht, nahm aber an, dass man mir in jedem Fall einen Denkzettel verpassen würde.
     
    Mein Kopf war klar wie lange nicht mehr. Auf der Autobahn nach St. Gallen hatte ich Mühe, mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten. Der alte Volvo fuhr schnell wie der Wind und es war nicht viel Verkehr an diesem Abend.
    Ich hatte zuvor ein paar Stunden gebraucht, um alle Vorkehrungen zu treffen. Die Meerbäumin würde weiterhin in Anouks Haus nach dem Rechten sehen. Allerdings reichte es für die nächste Zeit, wenn sie einmal die Woche käme. Ich wollte, dass das Haus jederzeit bereit wäre für den Fall, dass Anouk sich entschließen sollte zurückzukehren.
    Wenzlow würde demnächst einen Brief von mir erhalten. Darin bot ich ihm an, die Firmenleitung ganz zu übernehmen. Eine Generalvollmacht hatte er ja ohnehin bereits. Sein Gehalt würde sich nun verdoppeln.
    Max Winthers Safe war leer, ich hatte die Online-Zugriffsdaten für sein Schweizer Konto in der Tasche.
    Mein Wagen stand noch dort, wo ich ihn abgestellt hatte. Das Antiquariat war geschlossen, doch aus dem Hinterzimmer drang Licht in den Verkaufsraum. Ich klopfte an der Tür. Als niemand öffnete, ging ich um das Haus herum, bis zu dem kleinen Fenster, von dem ich wusste, dass es zu Hürlis »Kabuff« gehörte.
    Justus saß an seinem wackeligen Tisch und hielt einen dicken roten Auktionskatalog in den Händen. Vor ihm, auf einem Stövchen, stand Tee, diesmal in einer Glaskanne. Sie leuchtete rostrot. Das verhieß Wärme und Geborgenheit.
    Ich zögerte noch einen Moment und betrachtete voller Rührung diesen Mann, der ganz in seine Lektüre versunken war. Eine Woge der Zuneigung und der Dankbarkeit überkam mich. Er war der Einzige gewesen, der – obwohl alles gegen mich gesprochen hatte – ohne viel Federlesens zu mir gehalten hatte.
    Endlich klopfte ich. Hürli hob den Kopf. Im ersten Augenblick sah er ein wenig verloren aus. Doch als er mich erkannte, legte sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht und er deutete nach vorne, zum Zeichen, dass er mir aufschließen würde.
    Die Ladentür schwang auf, die Glocke schepperte so blechern wie eh und je.
    »Das trifft sich gut«, sagte Hürli und lächelte noch immer. »Ich habe gerade einen wunderbaren Darjeeling aufgebrüht, eine neue Pflückung.«
    Ich folgte ihm ins Hinterzimmer. Dort erhielt ich eine Tasse der dampfenden Flüssigkeit mit dem verlockenden Aroma.
    »Haben Sie erfahren, was Sie in Erfahrung bringen wollten?«, fragte Hürli, nachdem er sich wieder gesetzt hatte.
    »Ja«, sagte ich tonlos, »und noch viel mehr. Ich habe meine Identität wieder.«
    Hürli sah mich forschend an und wartete offenbar darauf, dass ich mich näher erklären würde. Und das tat ich dann auch. Während ich sprach, weiteten sich Hürlis Augen. Hin und wieder schüttelte er den Kopf, schweigend, wie es seine Art war.
    Als ich meinen Bericht beendet hatte, murmelte er: »So ist Giaconuzzi also tot.«
    Ich nickte und trank meinen Tee.
    Hürli goss uns nach.
    Nach ein paar Minuten griff ich unter den Tisch, wo ich meinen Rucksack abgestellt hatte, öffnete den Reißverschluss und blätterte Hürli Scheine hin.
    Er hob eine
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