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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod
Autoren: A Jonuleit
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zu weinen.
    Anouk war eine Mörderin. Die Frau, die ich geliebt hatte und immer noch liebte, war eine Mörderin und lag imKoma in einem Bregenzer Krankenhaus und würde vielleicht nie wieder aufwachen. Die Polizei fahndete nach mir, weil man mich des versuchten Mordes an eben dieser Frau verdächtigte. Eine mafiöse Vereinigung wollte offenbar weiterhin erfolgreiche Geschäfte mit mir treiben und – wie absurd! – eine andere Frau, Barbara, wartete darauf, dass ich mich für sie scheiden ließ.
    Ich grübelte eine Weile weiter und mit einem Mal verwandelte sich das Schluchzen in ein Lachen. Ein Lachen, das ich nicht mehr stoppen konnte, das immer irrer und irrer wurde, bis ich völlig außer Atem war und mir den Bauch halten musste. Julie fiel mir ein, die sicherlich den passenden psychologischen Fachbegriff für meinen Anfall auf Lager gehabt hätte.
    Und nun? Was sollte ich machen, jetzt, da die Polizei überall nach mir suchte?
    Was ich in erster Linie vorhatte, und das war sehr konkret, war, Hürli seinen Wagen zurückzubringen. Das war das eine, Notwendige.
    Das andere, wonach es mich überaus drängte, war, Anouk wiederzusehen, sie zu berühren und ihr zuzuflüstern, dass ich sie liebte, trotz allem. Ich musste es irgendwie schaffen, in die Klinik zu kommen.
    Ein Mann steuerte direkt auf den Volvo zu. Mit verbittertem Gesicht, in jeder Hand einen Wanderstock, trottete er bergan. Er warf einen skeptischen Blick in den Wagen. Ich tat, als wäre ich sehr beschäftigt mit den Gegenständen im Handschuhfach. Mein Herz raste. Hoffentlich würde ihm nichts verdächtig vorkommen. Er verschwand hinter der nächsten Baumgruppe.
    Ich ließ den Motor an und fuhr rückwärts aus dem Feldweg heraus auf die Straße. Ich wollte, ich
musste
Anouk sehen.
     
    Im Krankenhaus angekommen, ging ich zügig an der Pförtnerloge vorbei. Ich bemühte mich, so unauffällig wie möglich auszusehen, auch wenn ich eigentlich nicht so recht wusste, wie man dabei überhaupt auszusehen hätte. Natürlich konnte ich nicht auf direktem Weg zu Anouks Zimmer marschieren. Auf gut Glück fuhr ich mit dem Lift ins Untergeschoss. Mit einem angedeuteten Nicken brachte ich die Begegnung mit einer Schwester hinter mich, passierte eine geöffnete Toilettentür und sah eine Frau mit einem Kopftuch, die einen Wischer hin und her schob.
    Schließlich stieß ich auf die Wäscherei. Ich musste ein paar Blechschränke öffnen, bevor ich fand, was ich suchte. Schnell schlüpfte ich in eine weiße Hose und in einen weißen Kittel. Dann griff ich nach einem Stapel säuberlich gefalteter Wäschestücke, von denen ich glaubte, dass es Laken waren, und fuhr, den Stapel vor mir her balancierend, mit dem Aufzug nach oben. Im ersten Stock stieg ich aus und steuerte geradewegs auf Zimmer 113 zu.
    Kein Mensch auf dem Korridor! Das war meine Gelegenheit. Vorsichtig streckte ich den Kopf in Anouks Zimmer.
    Mein Atem stockte. Ich wich zurück.
    Ich hatte erwartet, Anouk wie in den Tagen zuvor regungslos daliegen zu sehen. Aber das Bett war leer. Vor Anouks Nachttisch stand eine Hilfskraft und zog die Laken ab.
    Ich schlug die Tür zu, rannte den Korridor entlang und landete – in Brandners Armen.
     
    »Sie ist fort«, sagte Brandner und sah mich in meiner Verkleidung mitleidig an.
    »Wie ›fort‹?« Ich verstand nicht.
    »Ihre Frau ist gestern Morgen aus dem Koma erwacht.«Völlig fassungslos saß ich in der Cafeteria, auf einem der orangeroten Stühle, nicht weit von dem Tisch entfernt, an dem ich kürzlich mit Hürli gesessen hatte. Es schien Lichtjahre her zu sein.
    »Und warum nehmen Sie mich nicht sofort fest?«
    »Weil es keinen Grund mehr dafür gibt«, sagte die Blonde. »Oder zumindest keinen, der vor Gericht standhalten würde.« Sie durchbohrte mich mit ihrem Blick.
    »Ich verstehe nicht«, sagte ich und legte den Kopf in die Hände.
    »Ihre Frau hat ausgesagt. Sie hat sich selbst die Pulsadern geöffnet. Davor hat sie Tabletten genommen und sie mit Alkohol hinuntergespült.«
    »Aber … warum hätte sie das tun sollen?«
    »Wissen Sie das wirklich nicht?« Die Stimme der Blonden klang schneidend. Schneidend und verächtlich.
    »Nein … nein … Natürlich weiß ich das nicht. Sonst hätte ich es Ihnen doch gesagt.«
    »Außerdem hat Frau Hinteregger die Aussage Ihrer Frau bestätigt.«
    »Frau Hinteregger.«
    »Ja, Barbara Hinteregger. Sie werden sich ja wohl an die Frau erinnern, mit der Sie ein Verhältnis haben und deretwegen Ihre Frau sich
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