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Schlangenjagd

Schlangenjagd

Titel: Schlangenjagd
Autoren: Clive Cussler , Jack Dubrul
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1
    Kalahari
1896
    Er hätte niemals befehlen sollen, die Waffen zurückzulassen. Diese Entscheidung würde sie alle das Leben kosten. Aber hatte es wirklich eine Wahl für sie gegeben? Als das letzte verbliebene Packpferd zu lahmen begann, hatten sie die Last anders verteilen müssen, und das bedeutete doch, dass sie Teile ihrer Ausrüstung zurücklassen mussten. Es verstand sich von selbst, dass sie die Wasserflaschen, die das Tier getragen hatte, ebenso behielten wie die Taschen voller Rohdiamanten. Sie hatten sich von den Zelten, Deckenrollen und von dreißig Pfund Proviant trennen müssen, sowie von den Martini-Henry-Gewehren, von denen jeder der fünf Männer eins besaß, mitsamt der dazugehörigen Munition. Aber auch nach diesen Gewichtseinsparungen waren die überlebenden Pferde hoffnungslos überlastet, und als die Sonne wieder aufging, um die Wüste erneut mit ihren sengenden Strahlen aufzuheizen, erwartete niemand ernsthaft, dass ihre Reittiere den Tag überleben würden.
    H.A. Ryder hätte eigentlich nicht so dumm sein dürfen, sich bereit zu erklären, die anderen durch die Kalahari zu führen. Er war ein alter Afrikakenner, der während der berauschenden Tage des Kimberley-Fiebers eine schlecht gehende Farm in Sussex aufgegeben hatte in der Hoffnung, auf den Diamantenfeldern zum Millionär zu werden. Als er im Jahr 1868 in Afrika ankam, waren ganz Colesberg Kopje, der Hügel, wo die ersten Diamanten gefunden worden waren, sowie die Felder ringsum für mehrere Kilometer abgesteckt. Daher verlegte sich Ryder darauf, die Heerscharen von Arbeitern mit Fleisch zu versorgen.
    Mit zwei Planwagen und Hunderten Säcken voller Salz, um damit das Wildbret einzupökeln, durchstreiften er und zwei eingeborene Jagdführer Tausende von Quadratkilometern. Es war ein einsames Leben gewesen, jedoch ein Leben, das Ryder zunehmend geliebt hatte, so wie er auch das Land lieben gelernt hatte: mit seinen unvergesslichen Sonnenuntergängen und den dichten Wäldern, mit seinen Flüssen, die so klar waren, dass das Wasser wie Glas aussah, und seinen Horizonten, so fern, dass es unmöglich erschien, sie jemals zu erreichen. Er lernte, die Sprachen verschiedener Stämme zu sprechen, der Matabele, der Mashona und der grimmigen, kriegerischen Herero. Er verstand sogar einige der seltsamen Schnalzlaute und Pfiffe, mit denen sich die Buschmänner der Wüste untereinander verständigten.
    Er hatte als Safariführer gearbeitet, sodass reiche Engländer und Amerikaner die Wände ihrer Villen mit Jagdtrophäen schmücken konnten, und er hatte einige Zeit damit zugebracht, geeignete Routen für Telefongesellschaften zu suchen, die ihre Leitungen quer über das südliche Drittel des Kontinents spannen wollten. Er hatte in einem Dutzend kriegerischer Scharmützel mitgekämpft und zehnmal so viele Männer getötet. Er kannte und verstand das afrikanische Volk, kannte aber die Wildheit und Grausamkeit des Landes selbst noch besser. Er wusste, er hätte den Auftrag nicht annehmen sollen, die anderen in einem Gewaltmarsch von Betschuanaland durch die endlose Kalahariwüste bis zum Meer zu führen. Aber da war wie immer die Aussicht auf eine hohe Belohnung gewesen, der Sirenengesang vom schnellen Reichtum, der ihn ursprünglich nach Afrika gelockt hatte.
    Wenn sie es irgendwie schafften und die mitleidlose Wüste nicht ihr Leben einforderte, dann würde H.A. Ryder jener Schatz in den Schoß fallen, von dem er immer geträumt hatte.
    »Meinen Sie, die sind noch immer hinter uns her, H.A.?«
    Ryder blinzelte so in die aufgehende Sonne, dass seine Augen in der wettergegerbten Haut fast verschwanden. Er konnte am fernen Horizont nichts sehen außer der flimmernden Hitze, die waberte wie Rauch, der sich sammelte und wieder auflöste. Zwischen ihnen und dem Feuerball wanderten Dünen aus reinem weißem Sand – wogende Wellen, die mit mächtigen Sturmböen wetteiferten. Mit der Sonne kam der Wind, der auf die Dünen einpeitschte. So wurde der Sand in breiten Fahnen von ihren Kämmen weggeweht.
    »Aye, mein Freund«, sagte er, ohne den Mann anzusehen, der neben ihm stand.
    »Wie können Sie sich so sicher sein?«
    H.A. wandte sich zu seinem Gefährten, Jon Varley, um. »Für das, was wir ihnen angetan haben, folgen sie uns bis vor die Tore der Hölle.«
    Die Gewissheit in H.A.s gereizter Stimme ließ Varley unter seiner Sonnenbräune bleich werden. Wie Ryder stammten die vier anderen Männer ihrer Gruppe aus England und waren nach Afrika gekommen, um ihr
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