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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod
Autoren: A Jonuleit
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umbringen wollte.« Das war erneut die Blonde und ich war mir sicher, dass sie mich gepfählt hätte, wenn das im Moment möglich gewesen wäre.
    »Hören Sie, Barbara Hinteregger ist die Freundin meiner Frau. Darüber hinaus weiß ich nicht, was Sie andeuten wollen.«
    »Das fällt ja auch nicht mehr in unseren Zuständigkeitsbereich«, meinte Brandner begütigend. Doch die Stimme der Blonden gewann eher noch an Schärfe: »Herr Winther. Frau Hinteregger hat ausgesagt, dass sie seit Jahren einVerhältnis mit Ihnen pflegt. Und von Ihrer Frau wissen wir Folgendes: Barbara Hinteregger hat Ihre Frau aufgesucht und ihr eröffnet, dass sie, Barbara Hinteregger, und Sie, Herr Winther, vorhätten, in Zukunft zusammenzuleben. Dass zu diesem Zwecke bereits eine Wohnung in Bregenz angemietet sei und dass Sie, Herr Winther, nur noch nicht den Mut gefunden hätten, Ihrer Frau reinen Wein einzuschenken.
    Nachdem Barbara Hinteregger das Haus verlassen hatte, versuchte Ihre Frau, sich zu töten.
    Nun zu Frau Hintereggers Aussage. Sie behauptet, sie sei vom schlechten Gewissen geplagt worden, weil sie wohl allzu schonungslos die Wahrheit gesagt habe. Und so sei sie nach einer Stunde noch einmal zurückgekehrt – sie hat wohl einen Schlüssel fürs Haus   –, um nach Ihrer Frau zu sehen. Ihre Frau habe nämlich seltsam apathisch reagiert.«
    Barbara habe Anouk daraufhin in ihrem Blut schwimmend vorgefunden und sofort anonym den Notarzt verständigt. Anonym deshalb, weil sie sich plötzlich fürchterlich geschämt habe. Das Messer habe im Bad auf dem Boden gelegen. Barbara habe es auf den Waschbeckenrand gelegt. Sie sei schon auf dem Weg nach draußen gewesen, als ihr einfiel, dass sie nun sicherlich ihre Fingerabdrücke auf dem Messer hinterlassen habe.
    »Und da sie nicht sicher war, ob man die Fingerabdrücke durch einfaches Abwaschen und Abreiben wegbekäme – sie hat eindeutig zu oft ›Tatort‹ angeschaut   –, hat sie sich kurzerhand entschlossen, das Messer mitzunehmen.«
    Der Tonfall der Blonden war beißend und am Anfang ihres Berichts war ich noch versucht, sie anzuschreien. Doch dann schwieg ich. Meine Wut auf Barbara und mein Schmerz um Anouks Schmerz wurden übermächtig. Ichkonnte nicht mehr anders als mir die Hände vors Gesicht zu halten.
    Nachdem ich mich wieder halbwegs gefangen hatte, fragte ich: »Und wo ist Anouk jetzt?«
    »Das wissen wir leider nicht.«
    Das war ja die Höhe. »Sie wissen es nicht?«
    »Nein. Schon gestern Abend, als ihre Eltern zu Besuch kamen, war das Zimmer leer.«
    »Ja, war sie denn in der Verfassung, alleine irgendwohin zu gehen?«
    »Die Ärzte sagen, es ist ihnen ein Rätsel. Allein dürfte sie nicht weit gekommen sein. Wahrscheinlich hat ihr jemand geholfen.«
    »Ist das denn möglich, dass eine Patientin hier so mir nichts, dir nichts rausmarschiert aus dem Krankenhaus?«
    Die beiden wechselten einen Blick, die Blonde jetzt schon deutlich weniger forsch als noch vor einigen Minuten. Dann sagte Brandner: »Wir haben natürlich nach Ihrer Frau suchen lassen. Zuallererst bei Ihnen zu Hause. Dann bei allen Bekannten, die Ihre Haushälterin, Frau Meerbaum, uns nennen konnte. Aber wie gesagt: Es gibt keine Spur von Ihrer Frau.«
    Brandner zuckte bedauernd die Achseln. Er sah noch deprimierter aus als gewöhnlich. Eine Minute verstrich, in der jeder seinen Gedanken nachhing.
    Dann raffte Brandner sich wieder auf: »Sie können sicher sein, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um Ihre Frau zu finden.«
    Eine Polizeifloskel. Wie oft mochte Brandner diesen Satz im Laufe seines Polizistendaseins schon gesagt haben? Zu besorgten Eltern, zu Ehepartnern …
    Er erhob sich. Die Blonde folgte seinem Beispiel. Brandner streckte mir die Hand entgegen. Schon wieder lag dieAndeutung eines bedauernden Lächelns auf seinem Gesicht. »Nichts für ungut, Herr Winther. Und Sie hören von uns.«
    Die Blonde machte keinerlei Anstalten, mir die Hand zu reichen, und ich legte auch keinen Wert darauf. Sie war im Begriff, sich abzuwenden. Dann raunte sie mir mit unverhohlener Verachtung in Blick und Stimme zu: »Sie liebt Sie. Aus irgendeinem Grund, den ich bei Gott nicht verstehe, liebt sie Sie.«
    Jetzt drehte die Blonde sich endgültig um und ging.
     
    Zwei Stunden später bog ich in die Einfahrt zu unserem Haus. Ursprünglich hatte ich Hürli sofort den Volvo zurückbringen wollen. Aber ich vertröstete meinen ganz privaten Ermittler in Gedanken und hoffte, er hätte seine mentalen
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