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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod
Autoren: A Jonuleit
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nannte er das? –
nicht
einen Großteil ihrer Zeit auf die Erziehung eines Kindes oder die Pflege eines Elternteils verwenden. Der Gesetzgeber erwartet von solchen Leuten, dass sie im Falle einer Scheidung wieder für sich selbst sorgen. Sie haben demzufolge kein Anrecht auf Unterhalt.
    Durch diese Neuregelung wäre ich also total ausgebootet gewesen. Das mag in deinen Ohren bequem klingen oder verwöhnt, aber ich hatte ganz einfach Angst. Angst, im Falle einer Scheidung alles zu verlieren: mein Zuhause und vor allem meinen Garten. Gott allein weiß, wie viel Zeit und Arbeit ich all die Jahre in diesen Garten gesteckt habe! Und dann einfach so zu gehen … – das erschien mir damals unmöglich.
    Du sagtest oft zu mir: Wir bauen uns etwas Neues auf, komm zu mir, wir gehen woanders hin und fangen neu an. Doch ich wollte nicht von einer Abhängigkeit in die nächste fallen. Also habeich einfach abgewartet. Dieses Warten wurde unerträglich. Und eines Tages geschah das, was nie hätte geschehen dürfen.
    Durch einen Zufall erfuhr ich, dass Max in irgendeine krumme Geschichte verwickelt war. Es ging dabei um Geld, um sehr viel Geld, und um hochangereichertes Uran, das Max in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen von Russland nach Deutschland schmuggelte.
    Ich stellte ihn hier in unserem Haus zur Rede. Das war an jenem 4. Januar. Er schrie und brüllte, ich solle meine Nase nicht in seine Angelegenheiten stecken. Immer wieder beleidigte er mich und fragte aufgebracht, wie ich mir das vorgestellt hätte: diesen Lebensstandard, dieses Haus, eine Zweitwohnung in Prag. Das ginge nun mal nicht ohne weitere Einnahmen.
    Dann rauschte er davon. Er wollte noch mal in die Firma fahren, um dort mit der Inventur zu beginnen.
    An diesem Nachmittag kam ich nicht zur Ruhe. Irgendwann rief ich ihn im Büro an. Ich bestand darauf, endlich ein klärendes Gespräch zu führen. Es gebe nichts zu besprechen, antwortete er. Ich sagte, ich wolle mit seinen dubiosen Geschäften nichts zu tun haben.
    Zum ersten Mal hatte ich den Mut, ihm meinerseits zu eröffnen, dass ich mich scheiden lassen wollte. Er lachte höhnisch, sagte, das könne ich haben. Nur dass ich danach nicht mehr einen auf Prinzessin machen könne. Dann müsse ich nämlich selbst mal arbeiten.
    Ich wagte etwas, was ich zuvor nie gewagt hatte. Wortwörtlich sagte ich zu Max: »Ich will die Hälfte von diesem Haus – das, was alle bei einer Scheidung kriegen, nicht mehr und nicht weniger.«
    Er lachte wieder, ja, er lachte sich kaputt bei dem Gedanken, dass ich an ihn irgendwelche Forderungen stellen könnte, und nannte mich höhnisch »die kleine Gärtnerin«.
    Meine Antwort brachte den Stein ins Rollen. Ich erklärte, er solle sich gut überlegen, was er mir im Falle einer Scheidung zugestehenwürde. Denn sonst könne es sein, dass ich zur Polizei ginge. Wir würden schon sehen, wer zuletzt lache. Er geriet außer sich und brüllte ins Telefon: »Soll das eine Drohung sein?« Das Gespräch war für ihn beendet. Er knallte den Hörer auf die Gabel.
    Ich war völlig aufgelöst, rief dich an und erzählte dir alles. Du kamst sofort und versuchtest, mich zu beruhigen: »Leg dich hin und entspann dich.« Du warst ja auf dieser Buddhismus-Welle und hattest schon öfters Atemübungen mit mir gemacht.
    Gerade, als ich mich tatsächlich hinlegen wollte, riss Max die Schlafzimmertür auf. Sein Blick fiel zuerst auf dich, dann auf mich. Ich erkannte sofort, dass er wieder getrunken hatte.
    Nun ging alles ganz schnell. Er warf sich auf mich und ehe du ihn abhalten konntest, schlug er mir mit der Faust ins Gesicht. Anschließend packte er dich am Kragen. Er prügelte auf dich ein und begann, dich zu würgen.
    Da nahm ich den weißen Marmorengel von meinem Nachttisch und schlug auf Max ein, damit er dich losließe. Der Marmor war mit einem Mal rot. Tom, weißt du noch, welch schreckliche Träume du von Engel und Satan hattest? Du sahst dabei auch immer wieder einen blutigen Stein. Das war sicherlich eine dumpfe Erinnerung an die Marmorfigur in meinen Händen. Deine Alpträume waren allesamt verblüffend nah an der Realität. Aber wie hätte ich dir das erklären sollen?
    Ich konnte nicht aufhören, auf Max einzuschlagen. Das Blut spritzte – auf meine Kleider, auf den Fußboden, auf das Bild. Vor allem auf das Bild, das über unserem Bett hing, das alttestamentarische.
    Max sackte in sich zusammen. Er war tot. Ich habe ihn erschlagen. Ich habe meinen Mann erschlagen.
    Du wolltest
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