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Der Adler ist entkommen

Der Adler ist entkommen

Titel: Der Adler ist entkommen
Autoren: Jack Higgins
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Bericht weitere zweimal. Dann ging ich noch einmal in die Küche, bereitete mir frischen Tee zu und ein Geflügelsandwich, setzte mich wieder an den Tisch, aß das Sandwich und dachte über das soeben Gelesene nach.
      Es war schon seltsam, wie Dinge, die aus heiterem Himmel auftauchten, alles von Grund auf verändern können. Ich hatte es schon einmal erlebt, damals, bei der Entdeckung der versteckten Gedenktafel für Steiner und seine Männer im Kirchhof von Studley Constable. Ich hatte damals für einen Artikel in einer historischen Fachzeitschrift recherchiert. Am Ende hatte ich etwas gefunden, das bisher von allen übersehen worden war und das mein Leben völlig umgekrempelt hatte. Ich hatte daraufhin ein Buch geschrieben, das um die ganze Welt gegangen war, von New York bis Moskau, und das mich zu einem reichen Mann gemacht hatte. Und nun dies - Ruth Cohen und ihr gestohlener Schnellhefter, und wieder spürte ich diese seltsame, prickelnde Erregung.
      Ich mußte mich beruhigen. Mußte versuchen, die Dinge nüchtern zu betrachten. Also begab ich mich unter die Dusche, ließ mir dabei viel Zeit, rasierte mich und zog frische Kleider an. Es war erst halb neun, und es war wenig wahrscheinlich, daß ich früh zu Bett gehen würde, wenn überhaupt.
      Ich hatte keinen Whiskey mehr im Haus. Aber ich mußte nachdenken, also machte ich noch mehr Tee und setzte mich wieder in den Sessel am Feuer, zündete eine Zigarette an und begann erneut, die Akte durchzuarbeiten.
      Irgendwann klingelte es an der Tür, und ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. Ich sah auf die Uhr, es war kurz vor neun. Erneut meldete sich die Türklingel. Ich schob den Hefter in seine Archivhülle, legte ihn dann auf den Rauchtisch und ging hinaus in die Diele. Ich vermutete, daß Ruth Cohen vielleicht noch einmal zurückgekommen war. Aber ich hatte mich gründlich geirrt, denn als ich die Tür öffnete, stand ein junger Polizeibeamter vor mir, dessen dunkelblaue Uniform naß war vom Regen.
      »Mr. Higgins?« Er schaute auf einen Zettel in seiner linken Hand. »Mr. Jack Higgins?«
      Seltsam, mit welcher Gewißheit man schlechte Nachrichten erahnt, ohne daß auch nur ein Wort dazu nötig wäre. »Ja«, sagte ich.
      Er trat in die Diele. »Es tut mir leid, Sie stören zu müssen, Sir, aber ich stelle Nachforschungen im Zusammenhang mit einer Miss Ruth Cohen an. Sind Sie vielleicht mit ihr befreundet, Sir?«
      »Das kann man nicht behaupten«, sagte ich. »Gibt es denn ein Problem?«
      »Es tut mir leid, es Ihnen sagen zu müssen, Sir, aber die junge Dame ist tot. Ein Unfall mit Fahrerflucht hinter dem Britischen Museum, vor etwa einer Stunde.«
      »Mein Gott!« stieß ich hervor.
      »Die Sache ist die, Sir, daß wir Ihren Namen und Ihre Adresse auf einer Karte in ihrer Handtasche gefunden haben.«
      Es war unfaßbar. Sie hatte vor kurzem noch dort an der Tür gestanden wie jetzt gerade der Polizist. Er war nicht älter als ein- oder zweiundzwanzig. Immer noch jung genug, um aufrichtig besorgt zu sein, und er legte eine Hand auf meinen Arm.
      »Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Sir?«
      »Es ist ein ziemlicher Schock.« Ich holte tief Luft. »Was wünschen Sie denn von mir?«
      »Es scheint so, als wäre die junge Dame an der Universität von London eingeschrieben gewesen. Wir haben in dem Studentenheim nachgefragt, in dem sie wohnte. Aber dort ist während des Wochenendes niemand zu erreichen, und wir brauchen jemand, der sie identifizieren kann. Für die Gerichtsmedizin.«
      »Und das soll ich jetzt tun?«
      »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sir. Es ist nicht weit. Sie wurde ins Leichenschauhaus in Kensington gebracht.«
      Ich holte noch einmal tief Luft, um mich innerlich zu fangen. »In Ordnung. Ich hole nur eben meinen Regenmantel.«
      Das Leichenschauhaus war ein trist aussehendes Gebäude in einer Seitenstraße, das eher einem Lagerschuppen als etwas anderem ähnelte. An der Anmeldung in der Eingangshalle versah ein Mann in Uniform seinen Dienst. Ein zweiter Mann - kleinwüchsig, dunkelhaarig, Anfang Fünfzig - stand, mit einer Zigarette im Mundwinkel, am Fenster und sah hinaus in den Regen. Er trug einen Filzhut und einen Trenchcoat.
      Schließlich wandte er sich zu mir um, die Hände in den Taschen vergraben. »Mr. Higgins, nicht wahr?«
      »Ja«, antwortete ich.
      Er nahm die Hände nicht aus den Taschen und hustete, wobei die Asche von seiner Zigarette auf seinen Mantel fiel.
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