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Der Adler ist entkommen

Der Adler ist entkommen

Titel: Der Adler ist entkommen
Autoren: Jack Higgins
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war, schon gar nicht, wenn ich die fehlende Akte bedachte. Was ein Problem hinsichtlich meiner weiteren Existenz schuf.
      Es war an der Zeit, erst einmal den Ort zu wechseln. Aber wohin? Und dann fiel mir wieder ein, was Ruth Cohen gesagt hatte. Daß es mindestens noch eine Person gab, die die Geschichte in der Akte bestätigen konnte. Ich packte ein paar Sachen ein, ging zum Fenster und blickte durch einen Vorhangspalt auf die Straße hinaus. Überall standen geparkte Fahrzeuge, es war deshalb unmöglich festzustellen, ob ich beobachtet wurde.
      Ich benutzte die Küchentür auf der Rückseite des Hauses, schlich vorsichtig durch die Gasse und suchte mir einen Weg durch ein Labyrinth stiller Seitenstraßen, während ich mir meine weiteren Schritte überlegte. Es war ganz gewiß eine Angelegenheit der Sicherheitsabteilung. Irgendeine anonyme kleine Abteilung bei DI5, die sich um Leute kümmerte, die aus der Reihe tanzten. Aber mußte das bedeuten, daß sie sich auch an mich heranmachen würden? Schließlich war die junge Frau tot, die Akte lag wieder im Records Office, und die einzige Kopie war aus dem Verkehr gezogen worden. Was konnte ich schon erzählen, was sich auch in irgendeiner Form beweisen ließ oder gar glaubhaft erschien? Andererseits mußte ich aus ganz persönlichen Gründen den Beweis für alles finden, und deshalb winkte ich mir an der nächsten Straßenecke ein Taxi heran.
      Der Green Man in Kilburn, einer Gegend in London, die vornehmlich von Iren bevölkert wird, zeigte über der Tür ein eindrucksvolles Gemälde von einem irischen Kesselflicker, das darauf hinwies, welche Art Atmosphäre den Gast dieses Etablissements erwartete. Die Bar war überfüllt, das konnte ich durch das Fenster sehen. Ich ging um das Gebäude herum in den Hinterhof. Die Vorhänge waren halb zugezogen. Scan Riley saß hinter einem überfüllten Schreibtisch und erledigte die Buchhaltung. Er war ein kleinwüchsiger Mann mit kurzem weißem Haar und noch viel auf den Beinen für sein Alter, das, wie ich wußte, zweiundsiebzig Jahre betrug. Ihm gehörte der Green Man, aber was noch wichtiger war, er galt auch als ein Organisator für Sinn Fein, den politischen Flügel der IRA in London. Ich klopfte ans Fenster, er stand auf und kam herüber, um kurz hinauszublicken. Dann machte er kehrt und entfernte sich. Einen Moment später ging die Tür auf. »Mr. Higgins. Was führt denn Sie hierher?«
      »Ich komme gar nicht erst rein, Scan. Ich bin auf dem Weg nach Heathrow.«
      »Na, prima! Urlaub in der Sonne, ja?«
      »Nicht ganz. Belfast. Die letzte Maschine werde ich wahrscheinlich versäumen, aber dann bekomme ich wenigstens die Frühmaschine. Setzen Sie sich mit Liam Devlin in Verbindung. Bestellen Sie ihm, daß ich im Hotel Europa wohne und daß ich ihn sprechen muß.«
      »Herr Jesus, Mr. Higgins, und woher soll ich einen Kerl wie den kennen?«
      Durch die Tür konnte ich Musik aus der Bar hören. Sie sangen gerade Guns of the IRA. »Keine Diskussion, Scan, tun Sie es einfach«, erwiderte ich. »Es ist wichtig.«
      Ich wußte, daß er es machen würde, natürlich, und ich drehte mich ohne ein weiteres Wort um. Ein paar Minuten später hielt ich ein Taxi an, und schon war ich auf dem Weg nach Heathrow.
      Das Hotel Europa in Belfast, in der Great Victoria Street unmittelbar neben dem Bahnhof gelegen, war für alle Zeitungsleute auf der ganzen Welt ein sagenumwitterter Ort. Es hatte zahllose Bombenanschläge der IRA überlebt. Ich blieb den größten Teil des Tages auf meinem Zimmer im achten Stock und wartete. Alles schien ruhig zu sein, aber es war eine unbehagliche Ruhe. Am späten Nachmittag war das Dröhnen einer Bombenexplosion zu hören, und als ich aus dem Fenster sah, entdeckte ich in einiger Entfernung eine schwarze Qualmwolke.
      Kurz nach sechs, als die Dunkelheit bereits anbrach, beschloß ich, auf einen Drink an die Bar hinunterzugehen. Ich zog gerade mein Jackett an, als das Telefon klingelte. Eine Stimme sagte: »Mr. Higgins? Hier ist der Empfang, Sir. Ihr Taxi wartet.«
      Es war ein schwarzes Taxi, wie man sie in London findet, und am Steuer saß eine Frau mittleren Alters, eine Dame mit freundlichem Gesicht wie eine Lieblingstante aus Kindertagen. Ich schob die Trennscheibe zwischen uns auf und begrüßte sie, wie es in Belfast Sitte ist.
      »Einen guten Abend wünsche ich Ihnen.«
      »Und ich Ihnen auch.«
      »Man sieht nicht oft eine Frau am Taxisteuer, in London
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