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Der 18 Schluessel

Der 18 Schluessel

Titel: Der 18 Schluessel
Autoren: Birgit Fiolka
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lautete Sarah Meyer, und es gab Zeiten, da war es für sie vergleichsweise schwerer, sich mit dem Verlust ihrer Vergangenheit abzufinden – vor allem jetzt, zur Weihnachtszeit. Oft stellte sie sich vor, wie ihre Eltern in ihrem Haus in Bonn saßen und auf ein Lebenszeichen von ihr hofften. Doch dafür war es noch zu früh. Kontakt zu ihren Eltern aufzunehmen, wagte Eliana nicht. Mochte der Orden auch glauben, dass ihre Amnesie unheilbar war – sicherlich hofften sie noch immer darauf, dass Danyal Kontakt zu ihr aufnahm, und ließen sie auch in Deutschland beobachten. Eliana seufzte. Ihre Eltern ... vielleicht würde die Aufmerksamkeit des Ordens nachlassen ... vielleicht könnte sie im nächsten Jahr Kontakt zu ihren Eltern aufnehmen und ihnen alles erklären. In ein paar Jahren würde der Orden sie vielleicht sogar ganz in Ruhe lassen. Vielleicht ...
    Eliana blieb vor der Scheibe des Domcafés stehen und starrte auf die Spiegelung. Ich versuche ja dieses neue Leben anzunehmen ... jeden Tag aufs Neue ... Sie betrachtete ihre schmale Nase und das perfekt modellierte Kinn. Vielleicht bildete sie sich nur ein, dass dieses Gesicht unecht aussah – nicht wie das eines Menschen – zu makellos. Menschen, die von ihrem Unfall nichts wussten, bemerkten jedoch nichts von den Operationen. Für sie war es ein ganz normales Gesicht.
    Eliana wandte sich von der ihr fremden Spiegelung ab. Auf jeden Fall tat es gut, zurück in Köln zu sein. Natürlich war auch das ein Risiko, aber da Sarah Meyer eine Bekannte aus ihrer Rehamaßnahme in Köln hatte, war Eliana zu der Entscheidung gelangt, dass das Risiko eines Besuchs vertretbar war. Nun war sie hier ... und wusste nicht, warum sie gekommen war.
    Vom Staat hatte Eliana eine kleine Wohnung in Berlin und staatliche Unterstützung erhalten, bis sie in der Lage war, sich eine Beschäftigung zu suchen. Das war ihr neues Leben. Ein deprimierend leeres Blatt. Eliana war sich noch nicht sicher, wie sie es jemals sinnvoll füllen sollte.
    Als sie am Morgen in den Zug nach Köln gestiegen und später über die Domplatte und den Weihnachtsmarkt gelaufen war mit seinen Gerüchen nach Zimt, Glühwein und Rauch ... als sie die Lichterketten gesehen hatte, die sich wie ein sternförmiges Dach von der großen Tanne über den Weihnachtsmarkt am Domplatz spannten, da hatte sie das erste Mal das Gefühl gehabt, dass sie es schaffen konnte – es war das erste gute Gefühl seit Langem. So flüchtig es auch gewesen war.
    Langsam schlenderte Eliana zwischen den in dicke Winterjacken gehüllten Menschen hindurch, in deren Händen Tassen mit heißem Glühwein dampften - weiße Atemwölkchen, wohin man auch sah. Aus den Lautsprechern über den festlich beleuchteten Buden drang stimmungsvolle Musik. Wie hatte sie den Weihnachtsmarkt jemals als überflüssig empfinden können? Der erste Schnee war gefallen, und eine dünne Schicht bedeckte die Spitzdächer des Domes. Eliana überlegte, ob sie hineingehen sollte. Die Wahrheit war, dass sie, wohin sie auch ging, heimlich Ausschau nach Danyal hielt. Wo war er? Suchte er noch immer nach dem Buch Raziel? Ich sollte mir lieber um mich selbst Gedanken machen.
    Eliana wandte sich resigniert vom Dom ab und sah zu dem sandfarbenen Eckhaus mit dem kleinen Giebeltürmchen gegenüber des Domplatzes. Eine Weile betrachtete sie das Haus, welches für sie mit schrecklichen Erinnerungen behaftet war. Der Kummer darüber traf sie unvorbereitet. Sie hatte gerne hier gewohnt ... zumindest bevor die Katastrophe über ihr Leben hereingebrochen war. Eliana verließ den Weihnachtsmarkt und überquerte zielstrebig den großen Platz. Sie würde sich ihren Dämonen stellen – ein einziges Mal ... und sie dann endgültig in ein dunkles Verließ des Vergessens verbannen. Der Schnee wehte ihr ins Gesicht. Es war ein vertrautes Gefühl.
    Vor dem Haus blieb Eliana stehen. Mit klopfendem Herzen las sie die Namen auf den Klingelschildern – sowohl in ihrer Wohnung als auch in der von Frau Mohr wohnten neue Mieter. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, zu kommen ... Eliana wollte gehen, als etwas ohne Vorwarnung um ihr Bein streifte ... eine leichte wie zufällige Berührung. Erschrocken sprang sie zur Seite - das graue Ding, das an ihrem Bein entlang gestrichen war, sprang ebenfalls zurück.
    Sie sahen sich an. Orangefarbene Augen, ein abgemagerter Körper und ein vom Kämpfen ausgefranstes Ohr. Trotzdem lächelte Eliana. „Gabriel ... wo warst du denn die ganze Zeit ...“,
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