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Denk an unsere Liebe

Denk an unsere Liebe

Titel: Denk an unsere Liebe
Autoren: Berte Bratt
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und wenn sie sich seine Worte nun wiederholte, bekamen sie einen ganz anderen Wert, eine ganz andere Tiefe und Bedeutung. Jetzt, wenn sie in ihrer Erinnerung aufklangen, sprachen sie ihr von Sehnsucht und Enttäuschung, von Resignation, von Geduld – und zum Schluß von Bitterkeit.
    Doch was nützte das alles?
    Es war zu spät. Es war zu spät. Jetzt hatte Eivind sich getröstet. Aber Toni mußte ihm das sagen. Auf die eine oder andere Weise mußte sie ihm sagen, daß sie ihn verstand, sie mußte – ja, sie mußte ihn um Verzeihung bitten für die Sünde, die sie gegen ihn begangen hatte.
    Es wurde eine lange, böse Nacht für Toni. Aber diese Stunden wurden trotzdem die bedeutungsvollsten in ihrem Leben. Denn diese langen, schlaflosen Stunden machten den Kurator Toni Löngard erst zur Frau und zu einem Menschen.
    Ich muß ihm das sagen, dachte Toni.
    Sie dachte dies fortwährend, der Gedanke lag und rumorte in ihr. Sie mußte, mußte – sie mußte Eivind sagen, daß sie ihn verstand, mußte ihm erklären, welche Selbstvorwürfe sie sich machte – vielleicht war es ein unbewußter Drang, sich vor ihm als Frau zu rehabilitieren.
    Aber sie konnte ja nicht zu ihm gehen. Sie wollte nicht noch einmal riskieren, in eine Kaffeestunde mit Siv hineinzuplatzen. Siv – schöne, helle Siv in dem flammend roten Kleid. Sie sah sie vor sich, an der Seite von Eivind in dem Beethovenkonzert. Ihm schreiben? Sie versuchte. Sie schrieb eine Seite und verwarf sie. Nein, das konnte man nicht zu Papier bringen.
    Das mußte gesagt werden, von Angesicht zu Angesicht, Auge in Auge.
    Und während diese Gedanken sie quälten, tat sie ihre tägliche Arbeit, und der Chefarzt warf manchen besorgten Blick auf sie. Es war etwas Routiniertes, Berufsmäßiges über ihre Tätigkeit gekommen, die Stimme hatte etwas von ihrer Wärme, die Augen etwas von dem strahlenden Glanz verloren, der den Patienten Vertrauen einflößt. Zum Teufel, so geht das nicht weiter, dachte der Chefarzt. Das Mädel braucht selbst Liebe, wenn es anderen Menschen Liebe geben soll. Und vielleicht hatte damit der Chefarzt den Nagel auf den Kopf getroffen.
    Toni kam vom Friseur. Sie sah auf die Uhr. Ein Viertel über drei. Ja, sie sollte wohl die Straßenbahn nehmen – aber es war so schönes Wetter, sie konnte auch zu Fuß gehen, nur ein paar Haltestellen, nur an der Bank vorbei. Unsinn. Er war schon lange aus der Bank fortgegangen. Er saß sicher in der Straßenbahn, auf dem Heimweg. Und wenn sie ihn traf, kam er wahrscheinlich mit Siv zusammen.
    Wenn sie ihn traf…
    Sie mußten ja miteinander sprechen. Wenn nicht wegen anderem, so mußte Eivind doch ein Interesse daran haben, die Trennung gesetzmäßig zu ordnen. Dachte er denn nicht daran, sich mit Siv zu verheiraten? Wenn Toni sich zwang, so weit zu denken, stach es wie mit Messern in ihr. Ach, sie mußte ihm erklären… mußte ihm sagen…
    Die Uhr war zwanzig Minuten über drei. Wie dumm sie war! Selbstverständlich war er längst gegangen.
    Da sah sie ihn. Ein grauer, doppelreihiger Mantel. Eine braune Mappe. Ein grauer Filzhut. Er kam geradewegs auf sie zu.
    Großer Gott, wenn nur das Herz jetzt ruhig sein wollte! Es fühlte sich an, als ob es ihr die Brust sprengte. Ach Eivind, Eivind!
    „Ach, du bist es, Toni? Wie nett, dich zu sehen. Wie geht es dir denn?“
    „Ja, danke – danke – ich muß wohl sagen, gut. Und du? Wie… ich meine, hast du viel zu tun?“
    „Ja, wir haben viel zu tun in der Bank. – Wo wolltest du hingehen?“
    „Eigentlich wollte ich sehen heimzukommen…“
    „Eigentlich?“ Eivind lächelte. „Das bedeutet, daß du auch für andere Vorschläge zugänglich bist?“
    Es zuckte ein wenig um Tonis Mundwinkel.
    „Hast du vielleicht einen?“
    „Ja – ich weiß nicht, ob es sich schickt, seine sozusagen getrennt lebende Frau zum Essen einzuladen? Berit hat heute frei, und deshalb werde ich in der Stadt essen.“
    „Ich werde dich begleiten, Eivind.“
    „Das ist nett, Toni. Kann ich etwas für dich tragen? Das ist ja ein Mordspaket, was du da schleppst. Ist es eine kurze Einleitung zur Beleuchtung des mental-neurotisch-psychologischen Seelenzustandes der Nierenpatienten?“
    Sein Tonfall war gutmütig neckend.
    „Nein, es ist die große Munch-Biografie.“
    „Hallo, wem willst du denn so ein feines Geschenk machen?“
    „Mir selber. Ja, es ist schrecklich leichtsinnig, aber ich hatte solche Lust darauf.“
    „Du? Liest du so etwas? Hast du denn Zeit dazu?“
    „Doch. Ich nehme
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