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Den Jakobsweg erfahren

Den Jakobsweg erfahren

Titel: Den Jakobsweg erfahren
Autoren: Jürgen Frömmert
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ausgeatmeten Zustand noch gerade hinein. Erst drinnen ist
vorsichtiges Einatmen möglich. Die Kellnerin versorgt uns, obwohl sie reichlich
zu tun hat, sehr schnell. Die Dame hat wohl erkannt, dass wir dringend ein
Gläschen Rebensaft brauchen.
    Heute sind wir aber schlau und
übertreiben es nicht. Wir gehen wieder in das angestammte Speiselokal, wo wir
nun ohne zu fragen die Speisekarte in unserer Landessprache bekommen und nehmen
dort unser Abendmahl ein.
    Auf dem Weg nach Hause stoßen wir,
bei der Post, kurz vor der großen Treppe auf eine wohl aus 20 Musikern
bestehende Kapelle, die ein Stück nach dem anderen zu Besten gibt. So richtig
fetzig. Die Menschen haben sie umzingelt und klatschen, singen und tanzen im
Takt der Musik. Wir werden förmlich mitgerissen.
    Plötzlich macht sich die Band auf
in den Fußgängerbereich. Als es in der schmalen Straße weder vor noch zurück
geht, bleiben sie stehen und geben noch einige weitere Gassenhauer zum besten.
Unter anderem wird das Lied „Ai Se Eu Te Pego!“, was soviel heißt wie: „Wehe,
wenn ich dich erwische!“ und in vielen Ländern im Jahre 2012 auf Platz 1 der
Singlecharts ist, gespielt. Dem kann man sich nicht entziehen.

    Nach diesem Lied ist plötzlich
Schluss. Die Menschenmasse löst sich allmählich auf und wir gehen nun, es ist
inzwischen fast 22:30 Uhr geworden, nach Hause. Dann geht es in die Falle.
    5 gefahrene km, gesamt 2606 km
    2:00 gefahrene Zeit, gesamt 166:52
Std.
    6,5 km/h
Durchschnittsgeschwindigkeit
     

21.05.2012
Montag
    Tag 31
    Santiago de Compostela
(E) – Finisterre (E)
    Um 07:00 Uhr ist Wecken angesagt.
Ab in die Radlerkluft und schnell an den Frühstückstisch. Endlich wieder die
gewohnten Rituale. Die Lenkertaschen nehmen wir mit, und die Gepäckttaschen,
der Schlafsack und die Isomatte lassen wir in unserem Zimmer. Die brauchen wir
heute nicht. Die letzte Route, die ich für die Tour habe, lade ich noch in das
Handy, und dann geht es raus. Nachdem die Räder aus dem Heizungskeller geholt
sind, hält uns hier nichts mehr.
    Wir folgen den gelben Pfeilen zum
Ende der Welt und haben gleich zu Beginn damit so unsere Probleme, denn zum
einen sind sie nicht so häufig wie zuvor vorhanden und zum anderen ist die
Richtung, in der die Strahlen der Symbole zeigen, nach Santiago und nicht zum
Ende der Welt gerichtet. Wir müssen umdenken.
    Gleich am Ortsrand geht es durch
einen Eukalyptuswald über grobes Geröll und Matsch bergauf und -ab. Als wir aus
dem Wald herauskommen und der Weg auf eine Straße mündet, entscheiden wir uns,
ohne darüber nachzudenken für die Strecke, die nach rechts und bergab verläuft.
Mehrere Kilometer geht es mit rasender Geschwindigkeit voran. An der nächsten
Einmündung suchen wir vergeblich nach einem Symbol. Bevor wir uns sofort auf
den Weg zurück nach oben aufmachen, suchen wir die Straße nach links und dann
nach rechts nach dem gelben Pilgerwegweiser. Vergeblich. Es nützt nichts, wir
müssen umdrehen. Das hebt die Stimmung gar nicht.
    Oben angekommen finden wir auch
gleich das Symbol. Wir hätten nach links abbiegen sollen, dann wäre alles klar
gegangen. Heute strengt das Fahren sehr an, obwohl der Himmel wolkenverhangen
und sogar Nebelschwaden vom Atlantik über die Berge ziehen, ist es schwülwarm.
Zusätzlich kommt noch starker Wind auf, der uns natürlich von vorn entgegen
bläst. Einige kurze Pausen bringen etwas Erleichterung.
    Die Natur hier ist wahrscheinlich
aufgrund der ergiebigen Regenfälle überaus üppig. Blühende Ginsterbüsche
wachsen mehrere Meter hoch. Der Baumbestand hingegen nimmt, je näher wir dem
Atlantik kommen, immer mehr ab. Immer wieder sehnen wir den Ausblick aus Meer
herbei, irgendwann muss es doch zu sehen sein. Wann endlich. Besonders bei mir
sind die Kraftreserven ziemlich weit gegen null gesunken. Vielleicht waren die
geballten Ruhetage in Santiago zu anstrengend.
    Nach einer Anhöhe so bei
Tageskilometer 80 taucht wie aus dem Nichts das Blau, das heute eher dunkelgrau
ist, aus dem Dunst hervor. Nun geht auch unsere Strecke über dickes Geröll
steil bergab. Am Wegesrand liegt ein asiatischer Fußpilger auf dem Rücken. Ich
befürchte das Schlimmste und stoppe. Als ich ihn auf Englisch anspreche, meint
er, dass alles o.k. sei. Toll, da macht man sich unnötig Sorgen. Aber
weiterfahren kann man ja auch nicht so einfach.
    Wenig später schiebt sich ein
dicker Felsbrocken zwischen dem Weg und meinem Vorderrad. Allen vorherigen
konnte ich ausweichen, aber diesem nicht. Das
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