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Demon Lover

Demon Lover

Titel: Demon Lover
Autoren: Devyn Quinn
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weiß, dass du da bist», raunte sie. «Ich habe gespürt, wie du mich berührt hast.»
    Die Antwort erfolgte in Form eines Luftzugs, der ihr über die Haut strich. Dabei waren alle Fenster geschlossen.
    Die Risse vervielfachten sich, verzweigten sich spinnwebartig, schlängelten sich mit unheimlicher Geschwindigkeit durch das Glas. Ein Dämon regte sich, kämpfte gegen seine Fesseln, wurde immer stärker. Alle Sanftheit war dahin.
    Stärker. Immer stärker.
    Kendra ahnte die Explosion voraus und taumelte vom Lesepult weg. Sie schlug die Hände vors Gesicht, um sich vor Splittern zu schützen.
    Nichts geschah.
    Kein Brennen. Kein einziger Schnitt.
    In der Bibliothek war es so still wie in einem Grab.
    Kendra spähte vorsichtig zwischen den Fingern hindurch. Das Glas war bis zum letzten Splitter verschwunden. Spurlos.
    Ein tiefroter Dunst umwaberte das Zauberbuch, das vollkommen unversehrt wirkte. Zitternd hob sich der Einband und klappte herum. Mehrere Seiten wurden von unsichtbarer Hand umgeblättert. Das Buch verblasste, während der Nebel sich verdichtete und Gestalt annahm. Er schwebte heran und verharrte vor ihr. Der Moschusgeruch wurde stärker. Der Umriss einer Gestalt bildete sich heraus und wurde deutlicher. Vor ihr materialisierte sich ein über eins achtzig großer Dämon.
    Zu verblüfft, um sich zu rühren, starrte Kendra ihn fassungslos an. Wie sie ihn so vor sich sah, fürchtete sie um ihre geistige Gesundheit. Das konnte unmöglich real sein. Der Anblick war so surreal, nahezu bizarr, dass sie das Gefühl hatte, es habe sie in ein Spiegelkabinett verschlagen. Beim Aufwachen hatte sie irgendwie die Grenze der Wirklichkeit übertreten und war ins Reich wilder Halluzination übergewechselt.
    Nicht dass ihr die Halluzination zuwider gewesen wäre.
    Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte in die Augen des Wesens, welche die Farbe eines abendlichen Gewitterhimmels hatten. Ihr stockte der Atem, das Blut pulsierte durch ihre Adern. Sie fragte sich, wie vielen Frauen der Anblick dieses bestrickenden Wesens wohl schon die Sprache verschlagen hatte. Das lange blonde Haar, rötlich und golden schimmernd, fiel ihm auf die Schultern. Eine gerade Nase, ein schöner Mund und ein kräftiges Kinn vervollständigten das Gesicht.
    Ganz Muskeln und Sehnen, stand er nahezu nackt vor ihr. Abgesehen von einer Art Lendenschurz, war er unbekleidet. Mehrere dunkle Tätowierungen schmückten seinen Leib. Eher alten Symbolen als konkreten Darstellungen gleichend, zogen sie sich von den Handrücken über Arme, Schultern und Oberkörper. Die Wirkung war unheimlich, aber atemberaubend. Seine Anwesenheit verlieh der Bibliothek eine eigentümlich faszinierende Atmosphäre.
    Kendra schluckte mühsam, denn sie hatte einen Kloß im Hals. Von dem Anblick hatte sie weiche Knie. Sie schloss die Augen. Als sie sie wieder aufschlug, war das Gespenst immer noch da. Ein unheimliches Licht hüllte es ein, als trüge es eine eigene Lichtquelle in sich.
    «Wer bist du?», fragte sie dümmlich. «Was willst du von mir?»
    Das prachtvolle Mannsbild fuhr ihr mit den Fingerspitzen über die Stirn. Als der Dämon den Arm bewegte, spannte sich kurz sein Bizeps an. Kendras Herzschlag setzte einen Moment aus. Seine Berührung fühlte sich kühl an, jedoch nicht unangenehm.
    Seine vollen Lippen formten ein Lächeln. Sie hörte seinen Atem. «Dein Schmerz hat mich gerufen, und ich bin gekommen.»
    Er sprach ein perfektes Englisch, hatte aber einen undefinierbaren Akzent. Seine Stimme war klar und deutlich, doch es schwang etwas darin mit. Was mochte das sein? Der Klang der
Ewigkeit
? Das war ein absurder Gedanke, doch sie vermochte die auf sie einstürmenden Empfindungen nicht abzuschütteln: Leere und Sehnsucht, melancholische Gefährten, die sich gegenseitig verschlangen.
    Niemals befriedigt, niemals erfüllt.
    Kendra zitterte. Undeutlich nahm sie einen eigenartigen Druck im Kopf wahr. Die Migräne zog sich zurück, auf unerklärliche Weise von den Lustwellen verscheucht, die sein intimes Streicheln auslöste. Zum ersten Mal seit dem Unfall kam sie sich normal vor. Gesund.
    Sie seufzte tief. «Ich danke dir», murmelte sie.
    Seine Hand wanderte über ihre Wange zum Kinn, ahmte die Liebkosungen nach, die sie wahrgenommen hatte, bevor sie in Ohnmacht gefallen war. «Du bist nicht gesund», sagte er leise. «Schon lange nicht mehr.»
    Seine hellsichtigen Worte brachten eine seltsame Saite in ihr zum Klingen. «Ich habe das Gefühl, Teile von mir wären
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