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0219 - Das Grab im Korallenriff

0219 - Das Grab im Korallenriff

Titel: 0219 - Das Grab im Korallenriff
Autoren: Rolf Michael
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Fred Pounder gehörte nicht zu denen, die auf den Spuren versunkener Kontinente tauchen und hoffen, eine längst verschollene Galeone auf dem Grunde des Meeres zu entdecken. Gerade die Karibik wurde nicht nur durch ihre gefürchteten Stürme, sondern besonders durch ihre tollkühnen und grausamen Piraten gefürchtet.
    Und über manchem stolzen Segler schloß sich der Spiegel des unendlichen Meeres, während im Licht der Sonne triumphierend die Korsaren sich an ihrer Beute berauschten.
    Fred Pounders ganze Liebe galt dem vielfältigen Leben, das hier zwischen den Korallenbänken in einer unglaublichen Farbenpracht hin- und herwimmelte. Jedes Jahr zog es den Mann aus New Jersey erneut zu den Korallenriffen der Karibik, wo er für einige Wochen dem Streß und der Hektik seines Alltags entkommen konnte. Hier fand der Generaleinkäufer einer großen amerikanischen Supermarktkette die Ruhe, die er benötigte, um das mörderische Tempo des amerikanischen Big-Busine zu ertragen, ohne irgendwann durchzudrehen.
    In dieser stillen Welt unter dem Spiegel des Meeres fand Fred Pounder zu sich selbst. Hier wurde der Mächtige der Geschäftswelt, Herr über Tausende von Arbeitnehmern, selbst wieder zum Menschen. Hier offenbarte sich ihm der Schöpfer im Geschöpfe.
    All die Jahre war Fred Pounder hinabgetaucht, um mit der Kamera auf die Jagd zu gehen. Mit Schwimmflossen an den Füßen dem Fisch gleichgemacht, durch Preßluftflaschen für ungefähr eine Stunde von der oberen Welt unabhängig, durchstreifte er die unterseeischen Gärten. Er hielt nichts davon, aus reinem Jagdtrieb einem der zahlreichen Fische hier unten das Leben zu nehmen, ihm genügte der Schuß mit der Kamera.
    Aber heute war alles anders.
    Zwar hatten seine Unterwasserfilme in seinem Bekanntenkreis einen guten Ruf, aber man vermißte doch den Nervenkitzel. Niemand begriff, warum sich Pounder nicht auf dem Grund des Meeres zum Kampf stellte. In Pounders Bekanntenkreis gehörte es zum guten Ton, in Afrika auf Großwildsafari zu gehen und in den kanadischen Wäldern dem Großwild nachzustellen. Reiche Trophäen zierten die Wohnungen der Leute, bei denen Pounder gesellschaftlich aus- und einging, einer Gesellschaft, in der Geld keine Rolle spielte.
    Da waren die Köpfe von Löwen und Leoparden, bleckten die Rachen indischer Tiger, hing ausgebreitet an der Wand das Fell eines Zebras oder eines Gnus, und noch als Trophäe wuchtig erschienen die gewaltigen Hörner von Kaffernbüffeln.
    Was waren dagegen die Dias und Filme von Fred Pounder, auch wenn sie, der Neid mußte es lassen, herrliche Motive aufwiesen?
    Aber der präparierte Kopf einer gewaltigen Muräne der Tiefsee, der stachelige Schwanz eines Riesenrochens oder das gräßliche Gebiß eines Haifisches, das war es, was man in Pounders großer Villa vermißte.
    Schließlich waren Pounder die Sticheleien zuviel geworden. Man stellte seinen Mut in Zweifel. Ja, einen Hai zu filmen oder ihm mit der Harpune zu erlegen, das sei zweierlei. Und dann das übliche Jägerlatein aus den Wäldern Kanadas von angreifenden Grizzlies und den mit gesenkten Schaufeln anstürmenden Elchen.
    Der nächste Urlaub in der Karibik mußte mit einer selbsterjagten Trophäe gekrönt werden. Koste es, was es wolle.
    Und so hatte Frederik Pounder diesmal zum Schießen nicht die Unterwasserkamera mitgenommen, sondern ein Harpunengewehr. Und, wie stets, hing an seinem Tauchergürtel das lange Messer.
    Aber gegen die Gefahr, der sich Fred Peunder bald gegenübersehen sollte, waren Messer und Harpune nutzlose Waffen.
    ***
    »Morgen, Kollegen!« Die über einsneunzig ragende, breitschultrige Statur des ungefähr fünfundzwanzigjährigen Mannes in der saloppen College-Jacke, dem auf der Brust weit geöffneten Hemd und der nach der neusten Mode geschnittenen Jeans wirkte mit der für die Firma gerade noch vertretbaren Länge des Blondhaars und den blauen Augen wie die Auferstehung eines Wikingerfürsten. Jeder Opernintendant hätte ihn auf dem Fleck für die Rolle des »Siegfried« engagiert.
    Die Blicke der drei Männer in den mittleren Jahren wandten sich ihm zu. »Morgen, Herr Ullich!« Mehr brachten sie nicht hervor. Wie vom Arbeitseifer befallen stierten sie wieder auf ihre Unterlagen. Keiner schien ihm so recht in die Augen sehen zu können. Am wenigsten der blaßgesichtige Typ mit der dicken Hornbrille, dem Nadelstreifenanzug und der korrekt gebundenen Krawatte, der an seinem Schreibtisch saß.
    Ein Blinder mit dem Krückstock hätte gesehen,
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