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Delirium

Delirium

Titel: Delirium
Autoren: Lauren Oliver
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gesagt. Hana holt tief Luft und ich weiß, dass sie’s jetzt verstanden hat, aber um sicherzugehen, frage ich: »Würdest du mir einen Gefallen tun? Würdest du diese Strecke noch mal für mich laufen? Ein letztes Mal?«
    Â»Jetzt werd mal nicht melodramatisch, Lena. Das Heilmittel wirkt in deinem Gehirn, nicht in deinen Beinen. Auch nach morgen kannst du noch laufen gehen.« Hanas Antwort klingt flapsig, genau wie es sein sollte, aber sie lächelt jetzt und nickt mir zu. Ja. Ich tu’s. Und ich verstecke die Nachricht dort. Hoffnung durchströmt mich, ein warmes Leuchten, das einen Teil des Schmerzes wegbrennt.
    Â»Ja, aber es wird nicht mehr das Gleiche sein«, jammere ich. Carols Gesicht blitzt einen Moment an der Tür auf, die einen Spaltbreit geöffnet ist. Sie sieht zufrieden aus. Offenbar hat sie den Eindruck, dass ich mich schließlich mit dem Gedanken an den Eingriff angefreundet habe. »Außerdem könnte ja auch was schiefgehen.«
    Â»Es wird nichts schiefgehen.« Hana steht auf und sieht mich einen Moment lang an. »Ich verspreche dir«, sagt sie langsam und betont dabei jedes Wort, »dass alles gut gehen wird.«
    Mein Herz setzt einen Schlag aus. Diesmal hat sie mir eine Nachricht übermittelt und ich weiß, dass sie nicht von dem Eingriff gesprochen hat.
    Â»Ich geh dann mal besser«, sagt sie, während sie auf die Tür zugeht, fast schon springt. Sollte es funktionieren – sollte es Hana irgendwie gelingen, Alex die Nachricht zu übermitteln, und sollte es ihm irgendwie gelingen, mich aus meiner häuslichen Gefängniszelle zu befreien –, dann war dies wirklich meine letzte Begegnung mit Hana.
    Â»Warte«, rufe ich, als sie schon fast an der Tür ist.
    Â»Was denn?« Sie dreht sich um. Ihre Augen blitzen. Sie ist aufgeregt, bereit loszulegen. Wie sie da im Nebel aus Sonnenlicht steht, das immer noch durch die Jalousien hereindringt, scheint sie einen Augenblick lang von innen heraus zu leuchten. Und jetzt weiß ich, warum man Wörter für die Liebe erfunden hat: Um wenigstens annähernd zu beschreiben, was ich in diesem Moment verspüre, diese verwirrende Mischung aus Schmerz, Vergnügen, Angst und Freude, die mich alle gleichzeitig durchströmen.
    Â»Was ist denn nun?«, wiederholt Hana ungeduldig und tritt auf der Stelle. Ich weiß, dass sie losgehen und den Plan in die Tat umsetzen will. Ich liebe dich , denke ich, aber ich sage, etwas atemlos: »Ich wünsche dir einen guten Lauf.«
    Â»Oh, den werde ich haben«, erwidert sie und dann ist sie einfach so weg.

siebenundz w anzig
    Wer den Himmel stürmt, kann abstürzen.
    Aber vielleicht fliegt er auch.
    Altes Sprichwort, Herkunft unbekannt, siehe Vollständige Sammlung
gefährlicher Wörter und Gedanken , www.vsgwg.gov.org
    I ch habe schon erlebt, dass Zeit sich ausdehnt wie Ringe, die sich auf dem Wasser ausbreiten; ich habe auch schon erlebt, dass sie mit solcher Kraft vorbeirauscht, dass sie einen benebelt. Aber bis heute habe ich nie erlebt, dass sie beides gleichzeitig tut. Die Minuten scheinen um mich herum anzuschwellen, mich mit ihrer Trägheit zu ersticken. Das Licht kriecht zentimeterweise über die Decke. Ich versuche den Schmerz in meinem Kopf und meinen Schulterblättern zu unterdrücken. Die Taubheit strahlt von meinem linken Arm zu meinem rechten aus. Eine Fliege kreist durch den Raum, summt immer wieder gegen die Jalousien, im Versuch, einen Weg nach draußen zu finden. Schließlich fällt sie erschöpft runter und schlägt mit einem winzigen klickenden Geräusch auf dem Boden auf.
    Tut mir leid, Kumpel. Ich fühle mit dir.
    Gleichzeitig beobachte ich entsetzt, wie viele Stunden seit Hanas Besuch bereits verstrichen sind. Mit jeder Stunde rückt der Eingriff näher und damit der Verlust von Alex. Und auch wenn mir jede Minute wie eine Stunde vorkommt, scheint jede Stunde in einer Minute vorbeizufliegen. Ich wünschte, ich könnte herausfinden, ob Hana die Nachricht beim Gouverneur verstecken konnte. Selbst wenn, besteht nur wenig Hoffnung, dass Alex auf die Idee kommt, dort nach einem Lebenszeichen von mir zu suchen – nur eine winzige Hoffnung, der Hauch eines Hauchs.
    Aber immerhin Hoffnung.
    An die anderen Hindernisse bei meiner Flucht habe ich gar nicht gedacht – wie zum Beispiel die Tatsache, dass ich aufgehängt bin wie eine Salami, oder die Tatsache, dass entweder
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