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Delirium

Delirium

Titel: Delirium
Autoren: Lauren Oliver
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weißt, ich würde dir helfen, wenn ich könnte.«
    Â»Ja, na ja, du kannst eben nicht.« Kaum haben die Worte meinen Mund verlassen, bereue ich sie. Hana sieht schrecklich aus, fast so schlimm, wie ich mich fühle. Ihre Augen sind geschwollen und ihre Nase ist rot, als hätte sie geweint, und es ist offensichtlich, dass sie schnell hergekommen ist. Sie trägt ihre Laufschuhe, einen Faltenrock und das extragroße Tanktop, in dem sie normalerweise schläft, als hätte sie die erstbesten Klamotten angezogen, die sie vom Boden aufgehoben hat.
    Â»Tut mir leid«, sage ich, weniger scharf. »War nicht so gemeint.«
    Â»Schon okay.« Sie steht vom Bett auf und geht im Zimmer hin und her, wie immer, wenn sie nachdenkt. Einen Augenblick lang – einen winzigen Sekundenbruchteil lang – wünschte ich fast, ich wäre Alex nie begegnet. Ich wünschte, ich könnte zum Anfang des Sommers zurückspulen, als alles so klar und einfach und leicht war; oder sogar noch weiter zurück, bis zum letzten Herbst, als Hana und ich um den Gouverneur herumgesprungen sind und auf dem Boden in ihrem Zimmer für Mathearbeiten gelernt haben und die Tage bis zu meinem Eingriff vorwärtsklackten wie Dominosteine, die nacheinander umkippen.
    Der Gouverneur. Wo Alex mich zum ersten Mal gesehen hat; wo er eine Nachricht für mich hinterlassen hat.
    Und da, einfach so, kommt mir eine Idee.
    Ich gebe mir Mühe, beiläufig zu klingen. »Was ist eigentlich mit Allison Doveney?«, frage ich. »Wollte sie sich nicht verabschieden?«
    Hana dreht sich um und starrt mich an. Allison Doveney war immer unser Codewort für Alex. Sie zieht die Augenbrauen zusammen. »Ich habe sie nicht erreicht«, sagt sie vorsichtig. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht besagt: Das habe ich dir doch schon erklärt.
    Ich hebe die Augenbrauen: Vertrau mir. »Es wäre schön, sie vor dem Eingriff morgen noch mal zu sehen.« Ich hoffe, Carol hört zu und interpretiert das als Zeichen, dass ich mich mit den veränderten Plänen abgefunden habe. »Danach wird nichts mehr so sein, wie es war.«
    Hana zuckt die Achseln und breitet die Arme aus. Was soll ich tun?
    Ich stoße einen Seufzer aus und wechsele scheinbar das Thema. »Erinnerst du dich noch an den Unterricht bei Mr Raider? In der fünften Klasse? Wie wir uns die ganze Zeit Nachrichten geschickt haben?«
    Â»Ja«, sagt Hana misstrauisch. Sie sieht immer noch verwirrt aus. Ich merke, dass sie langsam überlegt, ob der Schlag auf meinen Kopf mein Denkvermögen vielleicht doch beeinträchtigt hat.
    Ich seufze erneut übertrieben, als würde ich mich nostalgisch an die guten alten Zeiten erinnern. »Weißt du noch, wie er uns erwischt und uns daraufhin auseinandergesetzt hat? Und dann sind wir immer, wenn wir uns was sagen wollten, aufgestanden, um unseren Bleistift zu spitzen, und versteckten eine Nachricht in dem leeren Blumentopf beim Papierkorb.« Ich lache gekünstelt. »An einem Tag habe ich bestimmt siebzehnmal meinen Bleistift gespitzt. Und er hat nichts gemerkt.«
    Ein kleines Licht geht in Hanas Augen auf und sie wird ganz still und überaus wachsam wie ein Hirsch, der auf Raubtiere lauscht, kurz bevor er davonrennt – sogar, als sie lacht und sagt: »Ja, ich weiß. Armer Mr Raider. Total ahnungslos.«
    Trotz ihres lässigen Tonfalls lässt sich Hana auf Gracies Bett nieder, stützt die Ellbogen auf ihre Knie und sieht mich aufmerksam an. Und jetzt weiß ich, dass sie verstanden hat, was ich ihr wirklich sagen will, während ich hier von Allison Doveney und Mr Raiders Unterricht quatsche.
    Ich wechsele erneut das Thema. »Und weißt du noch, wie wir zum ersten Mal einen langen Lauf gemacht haben? Anschließend hatte ich richtige Puddingbeine. Und wie wir zum ersten Mal vom West End bis zum Gouverneur gelaufen sind? Und ich bin hochgesprungen und habe seine Hand abgeklatscht.«
    Hana kneift etwas die Augen zusammen. »Wir haben ihn jahrelang missbraucht«, sagt sie vorsichtig und irgendwie scheint sie es nicht so ganz zu durchblicken, noch nicht.
    Ich bemühe mich, jegliche Anspannung und Aufregung aus meiner Stimme zu verbannen. »Irgendjemand hat mir mal erzählt, dass er früher was in der Hand hatte. Der Gouverneur, meine ich. Eine Fackel oder eine Schriftrolle oder so was. Jetzt ist da nur dieses kleine Loch in seiner Faust.« Das war’s: Ich hab’s
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