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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir /
Autoren: Susanna Ernst
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liebe dich. Bitte, lass dich einfach treiben. Vertrau mir, mein Engel! Vertrau mir! ... Vertrau mir …«
    Die Kirchturmglocken läuten in der Ferne. Es ist Sonntagmittag, Punkt zwölf, und ich sterbe lächelnd, mit Glockengeläut.
    Dann wird es dunkel, und diese Dunkelheit ist viel tiefer und intensiver als alles, was ich je zuvor erlebt habe.
    Doch ich fürchte mich nicht. Auch die Kälte ist verschwunden. Warm jedoch ist mir auch nicht. Ich fühle … nichts!
    Kurzes, grelles Aufflackern unterbricht die Dunkelheit nach einer unbestimmbaren Weile – zunächst nur sporadisch, dann jedoch immer regelmäßiger – und plötzlich sehe ich, wie mein Leben wie ein Film an mir vorbeizieht.
    Ich sehe das Lächeln meines Vaters, seinen gütigen Blick und dann die sanften Augen meiner Mutter. Ich sehe Amy wieder, in Tausenden von Bildern. Momente einer glücklichen Kindheit. Unbeschwert und frei. Sorglos. Gemeinsam rennen wir durch ein riesiges Sonnenblumenfeld. Auf den letzten Metern reißen wir uns bereits die Kleider vom Leib. Unsere Taschen landen achtlos im Gras. Mit einem Satz springen wir in den Bach.
    Plötzlich, ohne jede Vorwarnung, zieht Amy mich an sich und küsst mich mitten auf den Mund. Ihr Kuss ist unschuldig, eben der eines neunjährigen Mädchens.
    »Mach's gut, Matty«, flüstert sie und küsst mich noch einmal sanft.

[home]
EPILOG
    E s ist ein gewöhnlicher Dienstagmorgen, der Beginn eines weiteren verschneiten Novembertages, in einem kleinen Ort namens County Island.
    Die Welt scheint ein einziger schneebedeckter Hügel zu sein, als Amy ihre neugeborene Tochter nach Hause bringt.
    »Sie ist so hübsch«, sagt Kristin, als die junge Frau das winzige Bündel aus seinem Körbchen hebt.
    »Sie hat die Augen ihres Vaters«, erwidert Amy und versucht dabei, sich ihre Trauer nicht anmerken zu lassen.
    In eine rosa Decke gehüllt, legt sie die Kleine der überraschten Kristin in die Arme. »Sag hallo zu deiner Omi, Julie!«
    Als Kristin die Kleine wiegt, wünscht sich Amy, dieselbe Stärke zu finden, die Tom und seine Frau ihr gegenüber gezeigt haben und für die sie die beiden so sehr bewundert. Nun haben sie eine kleine Enkeltochter, die sie so lieben wird, wie sie es verdient haben: von der ersten Sekunde an.
    Julie hat ihre winzigen Händchen zu Fäusten geballt und schläft in Kristins Arm. Sie ist ein zufriedenes Baby, schreit kaum.
    »Hallo, kleine Julie!«, flüstert Tom. »Ich bin dein Opa, kleine Maus!«
    Amy lächelt. Wie bekannt ihr diese Worte doch vorkommen.
    In der vertrauten Gemütlichkeit dieses Raumes, vor dem lodernden Kaminfeuer, genießt sie den Anblick ihrer kleinen Tochter, während Julie zum ersten Mal auf Tuchfühlung mit ihren Großeltern geht. Langsam schlürft Amy ihren Tee.
    »Evelyn und Peter machen sich heute Nachmittag auf den Weg. Elena kommt morgen mit dem Zug. Abends werden wir hier also die volle Besetzung haben.« Tom lacht fröhlich, doch dann wird sein Gesichtsausdruck plötzlich ernst. »Bist du dir sicher, dass du so weit bist, Amy? Ich meine, du weißt, dass du noch hier bei uns bleiben kannst, nicht wahr?«
    »Solange du willst«, bestätigt auch Kristin. Ihr Blick birgt Sorge und Hoffnung zu gleichen Teilen, doch Amy schüttelt den Kopf.
    »Nein, ich möchte nach Hause. Es ist an der Zeit, wirklich!«
    Tom nickt. »Okay! Wie du willst, mein Schatz.«
    Kurz darauf fährt er mit Amy und dem Baby über die schmale Waldstraße. In gemächlichen Biegungen führt sie direkt auf das Haus zu.
    »Ich habe alle Möbel aufgebaut und deine Mutter … Kristin hat deine Sachen eingeräumt. Wenn du also etwas vermisst, dann frag sie, hörst du?« Tom sieht Amy von der Seite aus an. Sie nickt.
    Schon biegt der Wagen um die letzte Kurve, und noch ehe sich Amy mental darauf vorbereiten kann, scheint es so, als würden die Büsche und Tannen mitsamt ihrer Schneehauben ein Stück weit zur Seite weichen, um ihr den freien Blick auf das Haus zu gewähren.
    Der Anblick verschlägt ihr den Atem. Zugleich schmerzt ihr Herz so sehr, dass sie beide Hände auf ihren Brustkorb drückt, um nicht einfach so auseinanderzubrechen.
    Ja, das ist genau das Haus, das Matty und sie sich immer erträumt haben.
    Dieses dunkle Holz, die umlaufende Veranda, die Glasfront, die den absoluten Ausblick über den See ermöglicht, der lange Steg. Alles ist da.
    Amy nimmt die Kleine aus ihrer Autoschale und hüllt sie in die Decke, die Kristin gestrickt hat. Mit ihrem Baby im Arm läuft Amy vorsichtig über den
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