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Deine Seele in mir /

Deine Seele in mir /

Titel: Deine Seele in mir /
Autoren: Susanna Ernst
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diesem Moment hätte sie sich vermutlich sogar als glücklich bezeichnet.
    Als Amy den Deckel über den Tasten herablässt, fällt ihr Blick auf ein kleines Bild, das auf dem Klavier liegt. Es ist das erste Foto von Julie. Aufgenommen direkt nach ihrer Geburt, von der freundlichen Frauenärztin, die Amy auch während der Schwangerschaft betreut hatte.
    Amy erhebt sich und nimmt das Bild an sich. Ein Gedanke streift sie.
    Nach und nach öffnet sie die Schubladen und Türen der dunklen Anrichte im Wohnraum. Es dauert nicht lange, bis sie fündig wird.
    Langsam und bedeutungsvoll, mit der Wertschätzung, die man einem kostbaren Schatz entgegenbringt, zieht sie das dunkelblaue Fotoalbum hervor und beginnt, es noch einmal durchzublättern.
    Sie sieht Matty als Baby – Julie sieht ihm wirklich unglaublich ähnlich –, und sie sieht sich selbst, gemeinsam mit ihm, auf Fotos fröhlicher Kindertage, die ihr ein Schmunzeln nach dem anderen ins Gesicht zaubern. Es fällt ihr nicht schwer, über die folgenden Zeitungsartikel hinwegzublättern, die allesamt von schlimmen Schicksalsschlägen berichten.
    Brutale Kindesmisshandlung, Vergewaltigung, Mord.
    Ein katastrophaler Flugzeugabsturz über dem Atlantik.
    Die Ermordung eines lang gesuchten Kinderschänders und Mörders durch ein ehemaliges Opfer – und der dramatische Tod dieses viel zu jungen Mannes, der in eindeutiger Notwehr gehandelt hatte.
    Ihr Wissen und das Gefühl des tiefen Trostes in ihr lassen Amy all diese Schlagzeilen und Bilder überfliegen. Denn am Schluss, in die letzte freie Seite dieses Albums, steckt sie Julies erstes Foto.
    »Für dich, mein Schatz«, flüstert sie, haucht noch einen Kuss auf ein Bild, das Matty und sie als Kinder zeigt, und klappt das Album zu.
    Für eine sehr, sehr lange Zeit, wie sie bereits ahnt.
    Am nächsten Morgen, Amy hat ihre Tochter gerade gestillt und sie auf die Kommode in ihrem Zimmer gelegt, um sie zu wickeln, klopft es an der Haustür. Ein Lächeln huscht über Amys Gesicht, als sie das Klopfen hört.
    Matty!, denkt sie versonnen.
    Sie hatten die schrillen Türschellen aus ihrer Kindheit immer gehasst und sich fest vorgenommen, an ihrer eigenen Haustür lediglich einen Ring zum Klopfen zu befestigen.
    Matt hatte tatsächlich an jedes Detail gedacht und es sogar noch geschafft, Tom dieses wertvolle Insiderwissen zu vermitteln.
    »Na, wollen wir mal sehen, wer uns da besucht?«, fragt Amy ihre Kleine und legt sich das Baby an die Schulter. »Vielleicht ist es ja schon unsere Hebamme oder aber Mary, die es kaum erwarten kann, dich noch einmal zu sehen«, mutmaßt sie auf dem Weg nach unten.
    Mary hatte Amy durch die schwerste Zeit ihres Lebens bis hin zu Julies Geburt begleitet. Hatte Amys Verlust und ihre Schmerzen geteilt, war ihr anfangs nicht von der Seite gewichen.
    Doch sie ist es nicht, die geklopft hat.
    Sofort erkennt Amy die junge Frau, die Matt und sie Anfang des Jahres auf dem Weg zu ihrer Grundstücksbesichtigung getroffen hatten und die nun tatsächlich ihre Nachbarin ist.
    Sie trägt ein dick eingepacktes Baby im Arm, das jedoch schon um einiges größer ist als Julie.
    »Hallo«, grüßt sie Amy freundlich und, wie es scheint, ein wenig nervös. »Wir haben uns ewig nicht gesehen, aber ich hoffe, Sie erinnern sich.«
    Noch bevor Amy reagieren kann, streckt die Frau ihr die Hand entgegen. »Oh, bitte entschuldigen Sie. – Carolyn Cane, hallo!«
    »Amy Andrews, hallo! Bitte, kommen Sie doch rein.«
    Ein wenig verdutzt sieht Carolyn schon aus, aber sie hakt nicht nach. Amy kann sich denken, was sie verwirrt, doch ja, das ist seit einigen Tagen wirklich ihr Name.
    Es hatte gedauert, die Namensänderung durchzubekommen, doch nun trägt sie ihren neuen Pass mit Stolz bei sich, und auch Julie hat den Nachnamen ihres Vaters erhalten.
    Nie mehr würde Amy zweifeln, welcher ihrer vielen Namen ihr richtiger ist.
    »Es tut mir leid, dass ich dich so überfalle, Amy. Oder macht es dir etwas aus, wenn wir uns duzen?«, fragt die junge Frau.
    Amy schüttelt den Kopf. »Nein, sicher nicht!«
    »Ich bin nur so glücklich, dass ihr endlich eingezogen seid. Wir wussten, dass du ein Mädchen erwartest, aber ich wusste ja nicht, wann ... und so liegt das hier schon recht lange in meinem Schrank.« Sie hält Amy ein rosa Paket entgegen. »Gestern Abend brannte dann endlich Licht im Haus«, erklärt sie und verdreht die Augen. »Gott, ich klinge wie ein Stalker.«
    »Bitte, Carolyn, setz dich doch.« Amy deutet auf die
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