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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied
Autoren: Javier Marias
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verliert man nie ganz, wenn man sie einmal erfahren hat.‹ Noch immer gingen mir diese Gedanken im Kopf herum. Luisa merkte, daß ich nicht sehr gesprächig war, vielleicht sogar etwas besorgt, ich reagierte kaum auf ihre Scherze, sie scherzt wieder viel mit mir.
    »Was hast du?« fragte sie. »Ist dir etwas passiert?«
    »Etwas passiert?« fragte ich halb mißtrauisch, halb gedankenversunken. »Wie meinst du das? Was könnte das sein?«
    »Ich meine, etwas Schlimmes.«
    Ja, mir war etwas Schlimmes passiert, und nein, mir war nichts Schlimmes passiert. Jedenfalls nichts völlig Ungewöhnliches. Einem Mann wird Schmerz zugefügt, und er wird zum Feind. Oder man selbst fügt Schmerz zu und macht sich damit jemanden zum Feind. Man braucht dazu nur zu atmen, beides geschieht viel öfter, als wir es uns vorstellen können, häufig ungewollt und ohne daß wir es merken, man tut gut daran, aufzupassen und die Gesichter anzusehen, und selbst dann bekommen wir es allzuoft nicht mit. Ich hatte es an dem Abend sehr wohl mitbekommen, und das ist bereits ein Vorteil. Aber Luisa konnte ich davon nichts sagen, ich konnte mit ihr nicht darüber reden, ich konnte ihr meine Begegnung nicht erzählen. Wir haben einander fast keine Fragen gestellt über die Zeit unserer absoluten Trennung, und das ist auch besser so. Sie hat mir nie von Custardoy erzählt, ich ihr auch nicht, ich werde nie erfahren, wie sehr sie ihn geliebt oder wie sehr sie ihn gefürchtet hat. Das ist vielleicht das einzige, worüber ich ihr nie etwas werde sagen können, nicht einmal wenn ich Vergangenheit bin oder mein Ende leicht voranschreitet und schon beharrlich an die Tür klopft, denn ich glaube ihr Gesicht zu kennen, und für mich steht hier alles auf dem Spiel, sogar wie sie sich an mich erinnern wird. Vielleicht deswegen und auch, weil ich die meiste Zeit ganz glücklich bin, trällere oder singe ich manchmal vor mich hin, wie sie es tut, und mit Vorliebe singe oder pfeife ich dieses Lied, das so viele Titel hat, es stammt aus Irland oder aus dem Wilden Westen (›Nanná naranniaro nannara nanniaro‹, so klingt es oder so geht die Melodie immer), The Bard of Armagh, das vorhersagt: ›Und wenn die kalten Arme von Wachtmeister Tod mich umarmen‹; oder Doc Holliday, der sich erst rechtfertigt: ›Doch die Männer, die ich getötet, hätten mich in Frieden lassen sollen‹, und sich später beklagt: ›Aber jetzt bin ich hier allein und verlassen, mit dem Tod in meinen Lungen sterbe ich heute‹; oder The Streets of Laredo, dessen Text ich am besten kenne und das ich deshalb laut trällere oder still für mich, wer weiß ob als Mahnung, vor allem die Strophe, die mit der Bitte schließt: ›But please not one word of all this shall you mention, when others should ask for my story to hear‹. Oder was in meiner Sprache dasselbe ist: ›Aber kein Wort davon darfst du erwähnen, ich bitte dich, wenn andere von dir meine Geschichte hören wollen.‹
    »Nein, nichts Schlimmes.«
    Mai 2007

(Ende des dritten und letzten Bandes von Dein Gesicht morgen )

DANKSAGUNGEN
    W ährend ich an den drei Bänden von Dein Gesicht morgen schrieb, haben mir einige Menschen zu gegebener Zeit geholfen: mit einer Information, einem Bild, einem ausländischen Wort, einem historischen Faktum, einer geographischen Auskunft, einer medizinischen Erläuterung, einem Begriff aus der Sprache des Stierkampfs, ein paar Versen, einem Rat, der zur Genauigkeit der Erzählung beitragen mochte, oder aber indem sie die beiden einzigen Kopien des Originals für mich aufbewahrten (ich schreibe noch immer auf der Schreibmaschine), solange dieses unvollendet war. Es sind: Julia Altares, John Ashbery, Antony Beevor, Inés Blanca, Nick Clapton, Margaret Jull Costa, Agustín Díaz Yanes, Paul Ingendaay, Antonio Iriarte, Mercedes López-Ballesteros, Carme López Mercader, Ian Michael, César Pérez Gracia, Arturo Pérez-Reverte, Daniella Pittarello, Álvaro Pombo, Eric Southworth, Bruce Taylor und Dr. José Manuel Vidal. Ihnen allen meine tiefste Dankbarkeit.
    Eigene Erwähnung gebührt meinem Vater, Julián Marías, und Sir Peter Russell, der als Peter Wheeler geboren wurde, ohne deren geliehene Leben es dieses Buch nicht hätte geben können. Mögen beide nun ruhen, auch in der Fiktion dieser Seiten.
    Javier Marías

NACHWORT DES ZWEITEN ÜBERSETZERS
    A ls die Übersetzerin Elke Wehr im Juni 2008 nach schwerer Krankheit starb, widmete Javier Marías ihr in der spanischen Tageszeitung El País einen
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