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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied
Autoren: Javier Marias
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beruhigt es mich zu denken, daß durch dich meine Geschichte noch …‹ Wieder suchte er nach einem passenderen Wort, aber er konnte es noch immer nicht finden: ›… ja, noch schweben könnte. Und es ist wirklich nicht mehr als das, Jacobo: nur schweben.‹
    Und ich dachte und dachte es weiter, als ich schon im Zug saß und unterwegs nach Paddington war: ›Er hat mich als Kreis ausgewählt, als das, was sich weigert zu verschwinden und sich auf der Keramik oder dem Boden festsetzt und sich am schwierigsten entfernen läßt. Er weiß nicht einmal, ob er will, daß ich mich darum kümmere, ihn abzuwischen – »die Verfassung des Schweigens« – oder daß ich nicht allzu stark reibe und den Schatten einer Spur lasse, ein Echo eines Echos, ein Stückchen Umkreis, eine winzige Krümmung, ein Überbleibsel, ein Aschepartikelchen, die sagen können: »Ich bin gewesen« oder »Ich bin noch, also ist es sicher, daß ich gewesen bin: Du siehst mich, und du hast mich gesehen«, und verhindern, daß wir anderen sagen: »Nein, das ist nicht gewesen, das gab es nie, das hat nie die Welt durchschritten noch einen Fuß auf die Erde gesetzt, es hat nicht existiert und ist nie geschehen.«‹


    A uch jenes Blut erwähnte Frau Berry in ihrem Brief. Sie habe nicht umhingekonnt, einen Teil unseres Gesprächs mitzuhören, während sie in der Küche hantierte und kam und ging an jenem letzten Sonntag, an dem ich die beiden besucht hatte (das Verb, das sie verwendete, war ›to overhear‹, das Unfreiwilligkeit impliziert), und so habe sie gehört, wie Wheeler beiläufig auf den Fleck zu sprechen kam, als hätte es sich um eine Ausgeburt meiner Phantasie gehandelt (›Genau dort, wo du sagst, daß du einen Blutfleck gesehen hättest …‹). Ihr sei unwohl dabei, mich seinerzeit belogen zu haben, schrieb sie, so getan zu haben, als wüßte sie von nichts, mich vielleicht in Zweifel über das gebracht zu haben, was ich gesehen hatte. Ich möge das bitte entschuldigen. ›Sir Peter starb an Lungenkrebs‹, schrieb sie weiter. ›Im Grunde wußte er es, aber er hat es nicht wissen wollen. Er war durch nichts dazu zu bewegen, einen Arzt aufzusuchen, bis ich zu einem sehr späten Zeitpunkt einen mit nach Hause brachte, einen Freund, aber da war schon nichts mehr zu machen, und der besagte Arzt verschwieg ihm die Diagnose: Wozu ihm noch davon erzählen, nur mir hat er es bestätigt. Zum Glück kam der Tod schnell, durch eine massive Lungenembolie, wie mir der Arzt später erklärte. Er mußte nicht lange leiden und hat bis zum Schluß ein annehmbares Leben geführt.‹ Und als ich das las, fiel mir ein, wie Wheeler das erste Mal in meiner Anwesenheit eine Sprachstörung hatte – als ihm das läppische Wort ›Kissen‹ im Hals steckengeblieben war –, ich hatte ihn gefragt, ob er einen Arzt konsultiert habe, und er hatte mir sorglos geantwortet: ›Nein, nein, es ist nichts Physiologisches, das weiß ich ganz genau. Es ist nur ein Moment, als würde der Wille mir entgleiten. Es ist wie eine Ankündigung oder ein Vorwissen …‹ Und als er den Satz nicht beendet hatte und ich ihn fragte, ein Vorwissen, da hatte er es mir gesagt und gleichzeitig nicht gesagt: ›Frag nicht, was du schon weißt, Jacobo, das ist nicht dein Stil.‹
    ›In der Tat war sein einziges Symptom während fast all dieser Monate‹, fuhr Frau Berry fort und verwendete nun zweifellos einen Begriff, den sie von dem befreundeten Arzt gelernt hatte, ›daß er gelegentlich Hämoptöe hatte, das heißt Bluthusten.‹ Und ich dachte, als ich diesen Absatz las: ›Ein Gutteil dessen, was uns betrifft und bestimmt, bleibt verdeckt.‹ ›Das geschah in der Regel unwillentlich, ausgelöst von einem kurzen starken Husten, und manchmal bemerkte er nicht einmal, daß er Auswurf gehabt hatte; Sie müssen bedenken, daß Sir Peter schon in hohem Alter war, auch wenn man ihm das nicht ansah. Wir können also unmöglich sicher sein, aber es ist denkbar, daß es das war, was Sie in jener Nacht oben auf dem ersten Treppenabsatz gesehen und mit solcher Sorgfalt weggeputzt haben. Ich danke Ihnen nun sehr dafür, denn das wäre meine Aufgabe gewesen. An einem gewöhnlichen Tag wäre mir so etwas kaum durchgegangen, aber an dem Samstag war ich sehr mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt, so viele Gäste, und wenn ich mich recht entsinne, zeigten Sie auf das Holz, nicht auf den mittleren, von Teppich bedeckten Teil, wo man alles besser sieht. Aber als ich bei Ihrem
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