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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied
Autoren: Javier Marias
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empfanden, das sie in Schutt und Asche legten und dem Erdboden gleichmachten und auslöschten, und gegen so viele andere Orte auf dem Kontinent, und vielleicht empfand Valerie Harwood sie gegen Milton Bryant und Woburn und Peter Wheeler gegen die Plantation Road, diese hübsche und dichtbelaubte Straße in Oxford, und ich selbst gegen das namenlose Gebäude in Vauxhall Cross und den indiskreten Sitz des Secret Intelligence Service, der etwas von einem Leuchtturm hat, einer Zikkurat über der Themse, wo ich mich grundsätzlich nicht hinwage, wenn ich einmal nach London reise, wenn ich mit Luisa oder ohne sie dorthin zurückkehre, ich habe dort noch Geld auf ein paar Konten, bei Spanien weiß man nie, ob man nicht irgendwann die Flucht ergreifen muß. Aber etwas räumliche Rachsucht gegen Bailén und Mayor gab es bei mir doch, ganz unbewußt, eigentlich mag ich das Viertel, trotz der diversen holzköpfigen Bürgermeister der Stadt, die es gründlich und nach Kräften ruiniert haben. Ich kam am Palacio Real vorbei, in dem ich mir manchmal Ausstellungen ansehe und den man inzwischen von keinem Ort in Madrid mehr sehen kann, außer, man stellt sich direkt davor, ein Anblick wie so viele, die die besagten schwachsinnigen Bürgermeister und ihre Stadtplaner und käuflichen Architekten den Madridern und Besuchern ohne jede Rücksicht geraubt haben, und noch dazu auf schwachsinnige Weise. Ich hatte gerade hinter der Plaza de España ein paar Erledigungen gemacht, als mir zwei Polizistinnen auf Pferden entgegenkamen, sie patrouillieren so, seit der Verkehr in dieser Hauptstadt der Tunnels unter die Erde gebracht ist, es waren ein weißes und ein schwarzes Pferd, und in der Tat ging ich so nah an dem Schimmel vorbei, daß ich ihn fast berührt hätte und seinen Atem spüren konnte, man merkt erst, wie groß sie sind, wenn man sie direkt vor sich hat. Ich hatte nach der Begegnung noch keine fünf Schritte gemacht, da spürte ich hinter mir seine Aufregung oder seine Aufgebrachtheit: Der Hund einer Passantin hatte angefangen, die Pferde anzubellen und zu bedrängen, und der Schimmel erschrak und bäumte sich auf und war kurz davor durchzugehen, über ein paar Meter hinweg versuchte er, loszugaloppieren, während der Hund – tis tis tis, schwerelose Schritte, es war ein Pointer wie der von Pérez Nuix, aber mit braunem Kopf und getupftem Fell – durch die Laufversuche, die unter Rutschen gebremst wurden, und das halbschnelle Scharren der Hufe in noch größere Erregung geriet, sein Gebell wurde immer heftiger. Die Polizistin hielt ihr Tier sofort im Zaum, nicht ohne eine gewisse Aufgeregtheit und Anstrengung: Sie mußte es mehrere Runden im Kreis gehen lassen, um es vom Galoppieren abzubringen und es endlich zu beruhigen, und das Frauchen des Hundes zerrte ihn weiter und setzte seinen Eskapaden ein Ende – das tis tis tis klang nun viel trauriger –, und dabei rief sie ihn auf, das Bellen sein zu lassen. Das zweite Pferd, das schwarze, ließ sich nicht im mindesten stören, weder durch die Wichtigtuerei des Pointers noch durch das Scheuen seines Kollegen, es war da weniger empfindlich. Die Hufschläge wurden bald langsamer, und als der zwischenzeitliche Aufruhr vorüber war, blieben die Polizistin und ihr Pferd eine Weile ruhig stehen, im Profil vor der königlichen Fassade, während sie ihm den Hals tätschelte und es vollends beruhigte, unter den Blicken von zwei Wachposten im Gewand des 19 . Jahrhunderts, die in ihrer hieratischen Position neben ihren Häuschen am Eingang zum Palast verharren. Wir befanden uns nahe dem Denkmal für Capitán Melgar mit seinem unterproportional kleinen Legionär, einer Art Beau Geste im Zwergenformat, der ihm den Bart hochzuklettern schien, oder besser den Schnurrbart.
    Da sah ich, daß unter den Leuten, die stehengeblieben waren, um den völlig unbedeutenden Zwischenfall mitanzusehen (darunter ich), einer von diesen Spontanlingen aufgetaucht war, die bei jedem Malheur oder Zank zur Stelle sind, um sich in Szene zu setzen. Es ist, als würden sie mit ihrem Auftreten sagen: ›Das hier erledige ich doch in Nullkommanichts‹ oder ›Ich werde diese Streithähne zur Vernunft bringen und dafür sorgen, daß wieder Friede einkehrt, zum Staunen aller, die des Weges kommen‹. Sein Eingreifen war nicht erforderlich, die Reiterin war selbst in der Lage, ihr Roß zu besänftigen, doch schon war der Mann mit drei langen Schritten zu den Polizistinnen getreten und klopfte dem Tier auf den Hals, als
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