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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen
Autoren: Deborah Crombie
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von der Bäckerei in Cambridge im Schrank - ein mageres Abendessen, aber es mußte reichen. Und zum Nachtisch konnte er den Biskuitkuchen vom Supermarkt auftischen, den er eigentlich für festlichere Gelegenheiten aufbewahren wollte.
      Was um Himmels willen hatte ihn veranlaßt, Adam einzuladen? Schuldgefühle vermutlich, gestand er sich mit einer Grimasse ein, als er zum Haus ging. Adam hatte ihm aus unerfindlichen Gründen immer irgendwie leid getan. Vielleicht weil Adam sich im Leben über die Maßen abmühte, ohne daß sein Einsatz für zahllose gute Zwecke je einen sichtbaren Erfolg gehabt hätte. Der Witz dabei ist, dachte Nathan, öffnete die Tür und schlüpfte aus seinen Gummistiefeln, daß er gestern am Telefon das Gefühl gehabt hatte, daß Adam offenbar Mitleid mit ihm hatte.
     
    Adam Lamb fuhr mit seinem alten Mini gemächlich die Grantchester Road entlang, am Rugbyfeld der Universität vorbei, und stellte bei jeder Gelegenheit bergab den Motor aus, um Benzin zu sparen. Obwohl er von Automobilen nichts hielt, war er bei der Gemeindearbeit auf ein Transportmittel angewiesen. Also fuhr er seinem Gewissen zuliebe ein Auto, das nur durch Gottes Gnaden jedes Jahr durch den TÜV kam. Seine Sparsamkeit beim Benzin hatte sowohl einen moralischen als auch einen finanziellen Grund - ein paar sorgfältig koordinierte Fahrten pro Woche waren alles, was sein mageres Budget erlaubte.
      Ein Windstoß rüttelte am Wagen, und Adam warf einen Blick zurück auf die düsteren Wolkentürme. Er hatte eigentlich zu Fuß gehen wollen. Am Fluß entlang waren es kaum drei Kilometer, und als Studenten hatten sie die Strecke bedenkenlos zurückgelegt. Aber das drohende Unwetter und eine leidige Erkältung hatten seinen Unternehmungsgeist gedämpft. Er fühlte sich plötzlich alt und müde.
      Am Rand von Grantchester bremste Adam fast auf Schritttempo ab. So nahe es bei Cambridge lag, war er doch jahrelang nicht hierhergekommen. Und daß Nathan zurückkehren würde, war nicht zu erwarten gewesen. Schon gar nicht allein. Als er durch gemeinsame Freunde erfahren hatte, daß Nathan das Haus seiner Eltern geerbt und beschlossen hatte, dort einzuziehen, hatte ihn eine seltsame Unruhe erfaßt.
      Die Grantchester Road ging in den Broadway über, und als Adam um die letzte Kurve vor der High-Street-Kreuzung bog, blinzelte er überrascht. War das eine Sinnestäuschung? Das Cottage in seiner Erinnerung war schäbig gewesen, mit bröckelnder Fassade, Brombeergestrüpp im Garten und Spatzen, die im Reetdach nisteten. Aber ein Blick in die Umgebung sagte ihm, daß er das richtige Haus gefunden hatte. Er hielt am Straßenrand und stieg gerade aus, als die ersten Regentropfen fielen. In seiner Verwirrung vergaß er, die Handbremse anzuziehen. Er stand da, starrte auf die neue, mit Ziegelsteinen gepflasterte Auffahrt und den halbmondförmigen Gartenweg, den grünen Golfrasen und die makellosen Staudenrabatten, den weißen Verputz und das Reetdach ... jemand hatte ein Wunder vollbracht.
      Die Haustür ging auf, und Nathan kam grinsend heraus. »Da verschlägt es dir die Sprache, was?« sagte er, als er Adam empfing und ihm die Hand schüttelte. »Schön, dich zu sehen.« Er deutete auf das Haus. »Ich weiß, es ist fast peinlich >putzig<, aber mir gefällt’s. Komm rein.«
      Nathan sah erstaunlich gut aus. Sein Haar war seit Jeans Tod schlohweiß geworden, aber es stand ihm, bildete einen faszinierenden Kontrast zu seinen dunklen Augen und seiner gesunden Hautfarbe. Adam wußte noch, wie sie Nathan verspottet hatten, als er schon mit Mitte Zwanzig grau zu werden begann. Damals kannte Nathan Jean bereits. Es war ihm daher völlig gleichgültig gewesen, was sie über ihn gedacht hatten. Nicht einmal Lydia hatte ihn treffen können.
      Bei dem Gedanken an Lydia zuckte Adam innerlich zurück und suchte Zuflucht in der Gegenwart. »Aber wie hast du ... ich meine, das muß ja ... deine Eltern haben doch nicht ...« Ein großer Regentropfen zerplatzte auf seinen Brillengläsern und nahm ihm im ersten Augenblick die Sicht.
      Nathan legte eine Hand auf seine Schulter und schob ihn durch die Tür ins Haus. »Ich mache dir einen Drink und erzähle dir dabei alles - wenn du willst.« Er sperrte den Regen aus und hängte Adams Anorak an die Garderobe. »Ist Whisky okay?«
      »Hm, ja. Bestens.« Adam folgte ihm in ein Wohnzimmer, das ebenso verwandelt war wie das Äußere des Hauses. Verschwunden waren die düsteren Möbel und die
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