Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
fragte Kincaid beiläufig. Er griff nach einem flachen Stein und ließ ihn über die Wasserfläche hüpfen. »Er macht sich Sorgen um dich.«
      Kit richtete sich auf den Knien auf, hockte sich auf die Fersen und starrte auf den Fluß hinaus. »Ich hab ihn gefragt, ob du wirklich mein Vater bist«, begann er nach einer Weile. »Und er hat gesagt, möglich sei das schon ... aber es habe keine Bedeutung für ihn. Er sagt, er und ich, wir seien eine Familie, und er will, daß wir zusammenbleiben.«
      Kincaid wartete, während Kit seinen Stock in kleine Stücke brach und der Strömung überließ.
      Als sich das letzte Stück Holz in den Wurzeln einer Kastanie verfing, sagte Kit: »Aber das letzte Mal ist er auf und davon.«
      »Ich glaube«, begann Kincaid bedächtig, »Ian braucht dich jetzt. Er hat Dinge getan, die, wie er weiß, falsch waren. Und das ist seine Art und Weise, es wieder gutzumachen. Du könntest ihm helfen.«
      Kit sah ihn überrascht an. »Ich?«
      »Ich glaube schon. Und ich weiß, daß ihm deine Mutter fehlt, und er braucht jemanden, der das versteht.«
      Kit setzte sich zurück, schlang die Arme um die Knie und tätschelte den Hund geistesabwesend mit der freien Hand. Kincaid nahm das Schweigen des Jungen als Zustimmung.
      »Hast du Hunger?« fragte Kincaid nach einer Weile. Kit sah auf und lächelte.
      »Ich bin am Verhungern.«
      Kincaid ging mit Kit in das Gartenlokal The Orchard. Dort verbrachten sie eine entspannte Stunde unter den Apfelbäumen, während Kit sich durch die Speisekarte arbeitete.
      Als die Zeit kam abzufahren, brachte Kincaid ihn zum Cottage zurück. »Ich rufe dich an ... was das kommende Wochenende betrifft.« Dann hielt er ihm die offene Handfläche hin, damit der Junge wie üblich einschlagen konnte, und er hatte das Gefühl, daß sein Sohn seine Hand einen Moment länger als sonst in seiner Hand ließ.
      Er fand eine Nachricht von Gemma vor der Tür, und eine weitere im Eingang der Cavendishs, die ihn beide ins Wohnzimmer dirigierten. Nachdenklich folgte er ihren Wegweisern und entdeckte sie an Hazels Klavier. Sie trug ein Leinenkleid, das ihr bis zu den Knöcheln reichte, und sie hatte ihr Haar locker mit einer Muschelspange im Nacken zusammengefaßt.
      »Wo sind Hazel, Tim und die Kinder?« fragte er und zog einen Stuhl neben sie.
      »Die sind im Kino. Freitagabendüberraschung.«
      »Und du wolltest nicht mit?«
      »Ich wollte hier sein, wenn du zurückkommst. Wie war’s mit Kit?«
      »Ganz in Ordnung«, antwortete er und stellte fest, daß das - zumindest vorübergehend - stimmte. »Was ist das?« fragte er und deutete auf das Notenbuch auf dem Klavierständer.
      Gemma hielt die Hände über die Tasten und berührte versuchsweise das mittlere C. »Ich habe angefangen, Klavierstunden zu nehmen.«
      »Warum hast du mir das nicht gesagt?« wollte er verdutzt wissen. »Ich hatte keine Ahnung, daß du den Wunsch hattest.«
      »Ich dachte, daß du mich vielleicht auslachst. Und ... Ich weiß, es ist blöd, aber ich wollte etwas im Leben haben, das nur mir gehört.«
      »Das verstehe ich jetzt nicht«, murmelte er verwirrt.
      »Ich weiß.« Gemma drehte sich zu ihm um. »Ich habe über Annabelle Hammond nachgedacht.«
      »Was hat denn Annabelle Hammond damit zu tun?«
      »Sie hat nach den Erwartungen gelebt, die andere Menschen an sie hatten - weil sie so schön war, hatten alle in ihrer Umgebung eine bestimmte Vorstellung davon, wie sie sein sollte, wie sie wollten, daß sie wäre. Und das tragische ist wohl, daß sie schließlich eine andere, nämlich ihre eigene Wahl getroffen hat in bezug auf das, was für sie wichtig ist, aber das Ergebnis hat sie nicht mehr erlebt. Sie ist gestorben, ohne zu wissen, was für ein Mensch sie geworden wäre.«
      Kincaid begriff noch immer nichts, erkannte jedoch plötzlich, welche Angst ihn die ganze Zeit über im Unterbewußtsein geplagt hatte. »Gemma, wenn es um Gordon Finch geht - wenn du möchtest -«
      »Nein. Es geht nicht um Gordon - oder nur ein ganz kleines bißchen. Es geht um mich. Ich weiß nicht, was ich will. Ich weiß nur, daß ich ein Mensch in der Entwicklung bin, und ich möchte erleben, wohin mich das führt und wer ich werden kann. Ich liebe dich, Duncan. Soviel weiß ich.«
      »Na, das ist ja schon mal was«, murmelte er und versuchte, den dunklen Abgrund, der sich vor ihm auftat, leichtzunehmen.
      Aber Gemma betrachtete ihn weiterhin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher