Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
sie können dich mal. Alles ganz höflich, natürlich«, fügte sie gutgelaunt hinzu.
      »Und das hast du gemacht?« fragte Kincaid. »Höflich, natürlich.«
      Vic trank einen Schluck Wein und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Sie wirkte plötzlich müde. »Ganz so einfach ist es nicht gewesen. Aber doch, so könnte man es ausdrücken.«
      Als sie das Thema nicht weiter verfolgte, fragte Kincaid: »Und dein Mann? Ist er auch Dozent?« Er fragte das fast wie nebenbei, freundlich und unbeteiligt.
      »Ian ist am Trinity College. Politische Wissenschaften. Im Augenblick hat er sich zu Studienzwecken beurlauben lassen. Er schreibt ein Buch. Über die Teilung Georgiens.« Vic legte ihr Brot auf den Teller und fing Kincaids Blick auf. »Ach, was rede ich um den heißen Brei herum. Tatsache ist, daß er das Buch über Rußland in Südfrankreich schreibt, und rein zufällig hat er sich eine Examensstudentin mitgenommen. In dem Brief, den er mir hinterlassen hat, steht, er sei wohl in der Midlife Crisis.« Sie lächelte verkrampft. »Er hat mich um Geduld gebeten.«
      Zumindest hat er dir eine Nachricht hinterlassen, dachte Kincaid. »Das tut mir leid. Ist bestimmt nicht einfach für dich.«
      Vic griff erneut nach ihrem Glas und aß etwas Salat. »Eigentlich nur wegen Kit. Er ist die meiste Zeit wütend auf Ian. Gelegentlich auch auf mich. Als sei es meine Schuld, daß Ian fort ist. Vielleicht stimmt es sogar ... Ich weiß es nicht.«
      »Hast du mich deshalb angerufen? Brauchst du Hilfe, um Ian zu finden?«
      Sie lachte überrascht auf. »Hältst du mich für so frech? Hast du das wirklich gedacht?« Als er nicht antwortete, fuhr sie fort: »Entschuldige, Duncan. Diesen Eindruck wollte ich nie vermitteln. Worüber ich mit dir reden möchte, hat mit Ian überhaupt nichts zu tun.«
     
    »Diese vermaledeite McClellan«, schimpfte Darcy Eliot, als er die Damastserviette auseinanderfaltete und sorgfältig im Schoß ausbreitete. »Als sei es nicht schon Zumutung genug, daß ich im College und in der Fakultät mit ihr auskommen muß, schneit sie gestern in meine Wohnung und belästigt mich noch privat mit unangenehmen Fragen. Hat mir scheußliche Kopfschmerzen gemacht. Kann ich dir sagen.«
      Er hielt inne, schenkte sich ein Glas Wein ein, trank einen Schluck, bewegte ihn zufrieden im Mund. Der Meursault seiner Mutter war ausgezeichnet, ja beinahe so gut wie der den Professoren vorbehaltene Vorrat im All Saints College. »Wär’s nach mir gegangen, hätte sie nie eine Dozentur an der Fakultät gekriegt, aber Iris hat einen Narren an ihr gefressen. Dieser ganze verdammte ...« Mehrere Gläser des exzellenten Sherrys seiner Mutter vor dem Ritual des sonntäglichen Mittagessens hatten seine Zunge gelöst, und er war drauf und dran gewesen zu sagen: »Dieser ganze verdammte Weiberhaufen an der Uni.« Erst ein Blick auf die hochgezogenen Augenbrauen seiner Mutter ließ ihn abrupt verstummen. »Ach, ist auch egal«, murmelte er hastig und versenkte seine Nase erneut im Weinglas.
      »Darcy, Liebling«, begann Dame Margery Lester, während sie die Suppe austeilte, die Grace in einer Terrine auf den Tisch gestellt hatte. »Ich bin Victoria McClellan öfter bei offiziellen Anlässen begegnet und habe sie immer als sehr charmant empfunden.« Margery Lesters Stimme klang so silbern wie ihr Haar, das sie zu einem klassischen Knoten aufgesteckt trug. Obwohl sie über siebzig war, hatte ihr Sohn gelegentlich den Eindruck, sie sei nicht gealtert, sondern vielmehr in einen anderen Aggregatzustand übergegangen. Die Eigenschaften, die Margery einzigartig machten - ihr wacher Verstand, ihr Selbstbewußtsein, die Hingabe an ihr Metier -, all das schien sich in demselben Maße zu verdichten, wie ihr Körper nachließ.
      An diesem Sonntag wirkte sie noch elementarer als sonst. Der Perlmuttglanz der Perlenkette auf ihrem grauen Kaschmirtwinset spiegelte sich auf ihrer Haut wider, und Darcy fragte sich, ob in ihren Adern statt Blut vielleicht doch Quecksilber floß.
      »Was genau hast du eigentlich an ihr auszusetzen?« fragte Margery, als sie Darcy den Suppenteller reichte, und fügte hinzu: »Grace hat Artischockencremesuppe gemacht. Dir zu Ehren.«
      Darcy ließ sich Zeit beim Suppekosten und schob dann verräterischerweise einen Finger zwischen Hals und Hemdkragen. Vielleicht hatte er dem Alkohol in letzter Zeit etwas zu ausgiebig zugesprochen. Jahrelang hatte seine Eitelkeit als natürliche Bremse für
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher