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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen
Autoren: Deborah Crombie
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stehenbleiben.«
      Kincaid fiel plötzlich ein, daß der Kauf des Midget einen ihrer letzten Krache heraufbeschworen hatte, aber Vics Blick hatte den Wagen ohne ein Zeichen des Wiedererkennens nur flüchtig gestreift.
      »Komm rein«, forderte sie ihn noch einmal auf und wandte sich dem Haus zu. »Es ist so ein schöner Tag, daß ich zum Mittagessen im Garten gedeckt habe. Hoffentlich ist dir das recht.«
      Er folgte ihr ins Haus und durch ein Wohnzimmer, in dem er flüchtig blaßgelbe Wände, verblichene Chintzbezüge und eine Gruppe Fotos in Silberrahmen auf einem Beistelltisch registrierte. Sie traten durch eine Glastür auf eine Terrasse hinaus. Der Garten fiel sanft vom Haus aus ab, und hinter der niedrigen Gartenmauer sah er eine Weide und eine Baumreihe, die das nahe Flußufer verriet.
      »Grantchester hat seinen Namen von >Granta<, dem alten Namen für die Can«, erklärte Vic und deutete zum Fluß hinunter.
      »Der Garten ist wunderschön.« Löwenzahn und wilder Lauch wuchsen auf dem struppigen Rasen, aber die Blumenbeete schienen frisch gejätet, und vor der niedrigen Mauer stand das Prunkstück des Gartens - ein riesiger Holzapfelbaum über und über voll rosafarbener Blüten.
      Vic warf ihm einen Seitenblick zu, der ihm sehr vertraut vorkam, und deutete auf einen der Stühle an einem schmiedeeisernen Tisch. »Hier, setz dich. Dein Lob ist reichlich übertrieben. Mein Freund Nathan findet, der Garten sei eine Schande. Aber ich bin keine Gärtnerin aus Leidenschaft. Ich bin einfach nur gern draußen bei schönem Wetter und buddel dann ein bißchen in der Erde herum - meine alternative Beruhigungstablette.«
      »Soweit ich mich erinnere, hat bei dir keine einzige Topfpflanze überlebt. Und kochen konntest du auch nicht«, fügte er hinzu, als sein Blick auf den Tisch fiel, der mit Käse, Salaten, Oliven, Schrotbrot und einer Flasche Weißwein gedeckt war.
      Vic zuckte die Schultern. »Menschen ändern sich. Kochen kann ich allerdings immer noch nicht«, fügte sie mit entwaffnendem Lächeln hinzu. »Selbst wenn ich die Zeit dazu hätte. Aber ich kann einkaufen, und ich habe gelernt, das Beste daraus zu machen.« Sie füllte die Gläser und prostete ihm zu. »Auf den Fortschritt. Und alte Freunde.«
      Freunde? dachte Kincaid. Sie waren Liebende, Feinde, Wohngenossen gewesen, aber nie Freunde. Doch vielleicht war es noch nicht zu spät. Er hob ebenfalls sein Glas und trank.
      Als er seinen Teller gefüllt und den Kartoffelsalat probiert hatte, wagte er einen Vorstoß: »Du hast mir noch nichts von dir erzählt - über dein Leben. Die Fotos ...« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Wohnzimmer. Der Mann hatte hager und bärtig, der Junge blond und kräftig ausgesehen. Er warf einen verstohlenen Blick auf Vics linke Hand, sah den blassen Abdruck um ihren Ringfinger.
      Sie wandte den Blick ab, trank einen Schluck Wein und konzentrierte sich darauf, ein Stück Brot mit Butter zu bestreichen. »Ich heiße jetzt Victoria McClellan. Doktor McClellan. Mitglied des All Saints’ College und Dozentin für Literatur. Die Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts sind mein Spezialgebiet. Damit habe ich mehr Zeit für eigene Arbeiten.«
      »Dozentin?« sagte Kincaid verwirrt. »Dichter?«
      »Ja, an der Englischen Fakultät der Universität. Erinnerst du dich an meine Doktorarbeit über die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf die englische Lyrik?« fragte Vic, und zum ersten Mal hatte ihre Stimme eine gewisse Schärfe. »Die, mit der ich mich während unserer Ehe herumgeschlagen habe?«
      Kincaid gab sich redlich Mühe, den Fehler wiedergutzumachen. »Du hast also erreicht, was du wolltest. Freut mich für dich.« Als er sah, daß Vics Ärger noch nicht verraucht war, redete er schnell weiter: »Bedeuten zwei Jobs nicht mehr Arbeit anstatt weniger? Wenn ich dich richtig verstanden habe, bist du für die Universität und dein altes College tätig, oder? Wär’s nicht besser für dich, du würdest nur den einen oder den anderen Job machen?«
      Vic warf ihm einen mitleidigen Blick zu. »So funktioniert das nicht. Lehrkraft an einem College zu sein ist fast Sklavenarbeit. Sie bezahlen dir ein Gehalt, und dafür mußt du tun, was sie wollen. Sie können dir soviel Arbeit aufhalsen, wie es ihnen Spaß macht, und du hast keine Handhabe. Aber wenn du einen Lehrauftrag an einer Universität hast, bist du in einer ganz anderen Position - und irgendwann kannst du deinem College sagen,
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