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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen
Autoren: Deborah Crombie
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den Stuhl zurücksank und sich geschlagen gab, als die Serviette über die Mauer segelte und verschwand. Während ihres ausgedehnten Imbisses im Garten hatten sich düstere Wolkentürme am westlichen Horizont aufgebaut, und Vic sah jetzt auf und runzelte die Stirn. »Ich glaube, der Wettergott hat uns betrogen, was? Wenn wir schlau sind, gehen wir rein«, fügte sie hinzu und begann das Geschirr abzuräumen. »Ich hole nur ein Tablett.«
      Während er zusah, wie sie von ihrem Stuhl glitt und sich über die Terrasse entfernte, dachte Kincaid daran, wie seltsam es war, wieder mit ihr zusammenzusein - und wie vertraut. Er war sich deutlich der Silhouette ihrer Schulterblätter unter dem dünnen Stoff ihres Kleids bewußt, der Länge ihrer Finger, des besonderen Schwungs ihrer Augenbrauen, all jener Dinge, an die er Jahre nicht gedacht hatte. Er erinnerte sich an ihre stumme Art des Zuhörens, als sei das, was man sagte, unendlich wichtig ... Dabei vergaß er nicht, daß sie ihm noch immer nicht den Grund für ihren Anruf verraten hatte. Aber auch das kam ihm bekannt vor. Bei der Trennung war ihm klargeworden, wie selten Vic ihm je gesagt hatte, was sie fühlte oder dachte. Sie hatte von ihm erwartet, daß er es wußte, und jetzt fragte er sich, ob er wieder einmal sein Stichwort verpaßt hatte.
      Vic kam mit einem Tablett zurück. »Ich habe das Kaminfeuer im Wohnzimmer angemacht.« Sie hatte eine lange goldbraune Jacke übergezogen und begann das Tablett zu beladen. »Das war’s mit unserem Picknick. Kurz, aber schön.«
      Kincaid stellte Teller übereinander. »Kann man von vielen Dingen sagen«, murmelte er und fluchte innerlich, als sie bei dieser unverhohlenen Spitze zusammenzuckte. »Tut mir leid, Vic. Ich ...« Er verstummte unsicher. Wie sollte er sich entschuldigen, ohne die Minenfelder der Vergangenheit zu betreten, die er hatte vermeiden wollen?
      Vic nahm wortlos das Geschirr und hielt mit dem Tablett in den Händen inne. Sie sah ihn einen Moment ruhig an. »Manchmal ist man zu unerfahren, um zu wissen, wie gut etwas gewesen ist. Oder den Wert eines Menschen zu erkennen. Ich war ein dummes Huhn, aber es hat lange gedauert, bis mir das klargeworden ist.« Sie lächelte. Als Kincaid sie verdutzt anstarrte, fügte sie hinzu: »Komm, hilf mir, das alles in die Küche zu bringen. Dann koche ich Tee. Es sei denn, du möchtest was Stärkeres?«
      Kincaid suchte sein Heil in Allgemeinplätzen. »Nein, nein, Tee ist ausgezeichnet. Ich muß noch nach London zurückfahren. Und mit dem Wein habe ich die Promillegrenze schon überschritten.«
      Er nahm ihr das Tablett aus den Händen. Sie hielt ihm die Tür auf. Er brachte es in die winzige Küche und stellte es auf die Arbeitsplatte. Vics Entschuldigung war für ihn völlig unerwartet gekommen, und jetzt wußte er nicht damit umzugehen.
      Vic stellte Tassen und Teekanne bereit und bemerkte sachlich: »Es wartet also jemand auf dich.«
      »Ist das eine spezifische oder eine allgemeine Feststellung?« fragte er grinsend. Er dachte an Gemma und den Balanceakt, der ihre Beziehung in den vergangenen Monaten gewesen war, und fragte sich, ob ihre Weigerung, ihn zu begleiten, einen anderen Grund hatte als ihren Wunsch, mehr Zeit mit ihrem Sohn zu verbringen. Sie hatte ihn zwar eingeladen, am Abend nach seinem Besuch in Cambridge zu ihr zu kommen, aber was ihn dort erwartete, war ungewiß.
      Vic warf ihm einen Blick zu und schaltete den Wasserkocher aus. Nachdem sie Tee aufgegossen hatte, dirigierte sie Kincaid ins Wohnzimmer. Über die Schulter fragte sie: »Weiß sie dich zu schätzen?«
      »Ich werde ihr erzählen, daß du nette Sachen über mich gesagt hast. Nach dem Motto >Erprobt und für gut befunden<.«
      »Klingt wie eine Schlagzeile aus der Boulevardpresse. Untertitel: EX-FRAU GIBT GEBRAUCHSANWEISUNG. Das müßte es doch bringen.«
      Sie setzten sich in die tiefen Sessel am Kamin. Vic zog die Beine an und trank einen Schluck Tee. »Ernsthaft, Duncan. Ich freue mich für dich. Aber ich habe dich nicht hergebeten, um dich über dein Privatleben auszufragen. Obwohl ich zugegebenermaßen neugierig bin.« Sie sah ihn über den Rand ihrer Teetasse lächelnd an.
      Das Blumenmuster auf dem Porzellan war ihm schon die ganze Zeit irgendwie bekannt vorgekommen, und als er es so dicht an ihrem Gesicht sah, kam die Erinnerung zurück ... Vic, die einen Geschenkkarton öffnete, eine Tasse herausnahm und hochhielt, damit er sie begutachten
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