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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen
Autoren: Deborah Crombie
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viktorianischen Nippes, die Nathans Mutter so geliebt hatte. Jetzt waren die Bezüge der einladend aussehenden Polstermöbel in freundlichen Farben gehalten, ein dicker Teppich lag auf dem Riemenboden, und im Kamin brannte ein Feuer, das sich in den Butzenscheiben der Fenster spiegelte. Es war ein schönes Zimmer, verführerisch gemütlich, und Adam dachte mit bedauerndem Frösteln an sein Pfarrhaus in Cambridge. Er ging zum Kaminfeuer und wärmte sich die Hände. Nathan schenkte an der Anrichte aus einer Flasche Macallan zwei Gläser ein. »Ein großer Fortschritt gegenüber dem elektrischen Kaminfeuer«, sagte Adam, als Nathan ihm sein Glas reichte. »Zum Wohl!«
      Nathan lachte und setzte sich in einen der Sessel am Kamin. »Überrascht mich, daß du dich daran noch erinnerst. Es war ziemlich schwach auf der Brust, was?« Er streckte die Beine der Wärme entgegen und nippte an seinem Drink. »Meine Eltern hatten eine Zentralheizung einbauen lassen, aber die wurde nur morgens und abends jeweils eine Stunde angeschaltet. Sie hat das Waschen, Ins-Bett-Gehen und Aufstehen einigermaßen erträglich gemacht, aber die restliche Zeit haben wir uns ständig vor der blöden Heizspirale gedrängelt. Der Kamin hatte einen ausgezeichneten Abzug, aber nachdem sie sich einmal eingebildet hatten, daß ein elektrisches Kaminfeuer billiger sei, gab’s kein Zurück.« Er schüttelte den Kopf.
      »Ich habe mich hier immer wohl gefühlt«, murmelte Adam und setzte sich in den zweiten Sessel. »Deine Mutter ist sehr lieb zu uns gewesen und hat uns undankbare Bande klaglos mit durchgefüttert.«
      Nathan lächelte. »Ich glaube nicht, daß sie das so empfunden hat.«
      »Das mit deinen Eltern hat mir sehr leid getan.« Adam griff sich automatisch an den weißen Kragen und erinnerte sich dann, daß er einen Rollkragenpullover trug. Er fürchtete immer, daß die Kleidung des Geistlichen bei gesellschaftlichen Anlässen Verlegenheit auslöste - auch bei Leuten wie Nathan, der ihn noch aus der Zeit kannte, als er kein Geistlicher gewesen war. »Muß hart für dich gewesen sein ... so kurz nach Jean.«
      Nathan starrte ins Feuer, drehte das Glas in seinen Händen und sagte nachdenklich. »Ich kann das gar nicht beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt war ich zu keiner Empfindung mehr fähig. Ich habe wie ein Roboter reagiert. Manchmal bin ich nicht sicher, daß ich es überhaupt begriffen habe.« Er sah Adam an und lächelte. »Aber ich wollte dir vom Haus erzählen. Das Cottage hat mir die Entscheidung abgenommen, wie es weitergehen sollte. Ich hätte es nicht ertragen, ohne Jean im Haus in Cambridge zu bleiben. Ich hatte längst mit dem Gedanken gespielt, wieder ins College zu ziehen. Dann, als meine Eltern innerhalb weniger Wochen nacheinander starben und mir das hier hinterließen ...« Nathan stand auf, ging zum Fenster und zog die Vorhänge vor, während der Regen gegen die Scheiben trommelte.
      »Es war schuldenfrei, aber in einem schrecklichen Zustand«, fuhr er fort. »Ich war völlig ratlos. Ein Freund hat mich alten Dickschädel schließlich mit der Holzhammermethode aufgeklärt. Jean und ich hatten fast fünfundzwanzig Jahre in Cambridge gewohnt. Die Hypothek auf unser Haus war fast abbezahlt. Und die Grundstückspreise waren sprunghaft gestiegen.«
      »Also hast du das Haus verkauft und den Gewinn für die Renovierung benutzt.« Adams Gestik fiel ausladender aus als beabsichtigt. Der Whisky war ihm zu Kopf gestiegen. Er hatte einen leeren Magen. Vor dem Abendmahl am Morgen hatte er gefastet und dann entdeckt, daß der Gemüsekuchen, den er sich zum Mittagessen aufbewahrt hatte, schimmelig geworden war.
      Nathan stand jetzt mit dem Rücken zum Feuer. »Es war komischerweise geradezu wie ein Befreiungsschlag. Jean und ich hatten im Lauf der Jahre auf so vieles verzichtet, weil wir warten wollten, bis wir es uns wirklich leisten konnten, und irgendwie war es dazu nie gekommen.« Grinsend fügte er hinzu: »Daß wir zwei Töchter haben, hat wohl auch was damit zu tun. Diese beiden zierlichen Elfen fraßen die Pfundnoten wie halbverhungerte Hunde in einer Wurstfabrik.«
      Adam hatte Mühe gehabt, in den beiden jungen, dunkel gekleideten Frauen mit den verweinten Gesichtern, die er bei Jeans Beerdigung flüchtig gesehen hatte, Nathans Töchter wiederzuerkennen. Für ihn waren sie noch immer zwei kleine Mädchen in weißen Rüschenkleidern und rosaroten Haarbändern. »Jetzt sind sie doch sicher verheiratet,
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