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Dead Man's Song

Dead Man's Song

Titel: Dead Man's Song
Autoren: Troll Trollson
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sitzen, der mit den Zigarettenbrandflecken zu vieler langer Verhöre aus zu vielen langen Jahren übersät ist. Fast scheint es, als hätte sie sich schon immer gewünscht, dieses Geständnis ablegen zu können. Noch hat sie kein Wort zur Manipulation von Beweismitteln und Behinderung der Justiz gesagt, aber sie scheint gewillt, alles zu gestehen, was sie je getan oder empfunden hat. Und plötzlich kommt Carella in den Sinn, daß sie ein Mensch ist, der niemanden zum Reden hat. Zum ersten Mal in ihrem Leben hat Cynthia Keating Publikum. Und dieses Publikum schenkt ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
    »Er ist ein Langweiler«, erzählt sie den Männern. »Mein Vater. Er war ein Langweiler, als er jung war, und nun, im Alter, ist er ein noch größerer Langweiler. Er war Krankenpfleger, aber ist das ein Beruf für einen Mann? Selbst als Rentner kann er über nichts anderes reden als über diesen oder jenen Patienten im >Hospital<, in dem er gearbeitet hat. Ich glaube, er weiß nicht einmal mehr, welches Krankenhaus es war. Es ist immer nur >das Hospital<. Dies oder jenes ist im >Hospital< passiert. Das ist alles, worüber er redet.«
    Die Detectives nehmen zur Kenntnis, daß sie von ihrem Vater noch immer in der Gegenwart spricht, aber das ist nicht ungewöhnlich und stellt keinen besonderen Hinweis dar. Sie warten geduldig, daß sie endlich auf die Manipulation und Behinderung zu sprechen kommt. Deshalb sind sie hier. Sie wollen wissen, was zwischen neun Uhr gestern abend und sieben nach zehn an diesem Vormittag, als sie die Polizei anrief, in der Wohnung passiert ist.
    Wegen des Wetters hat sie einen grünen Tweedrock und einen Rollkragenpullover, den sie in der Gap-Boutique gekauft hat, angezogen. Dazu flache Laufschuhe und eine zum Rock passende Strumpfhose. Sie geht gern spazieren. Der Wetterbericht hat für den Nachmittag Regen angesagt…
    Es regnet tatsächlich, während sie ihren Bericht fortsetzt, aber keine der Personen in dem fensterlosen Raum weiß oder interessiert sich dafür, was da draußen passiert …
    … und deshalb hat sie einen Klappschirm in einer Tasche, die sie sich über die Schulter hängt. Die U-Bahnstation ist nicht weit von ihrer Wohnung entfernt. Um etwa zwanzig vor neun steigt sie in den Zug und ist vierzig Minuten später auf der anderen Seite des Flusses und in der City. Es ist nur ein kurzer Fußmarsch bis zum Haus, in dem ihr Vater wohnt. Sie betritt es um halb zehn. Sie erinnert sich auch, gesehen zu haben, wie der Hausmeister die Mülltonnen nach draußen brachte. Ihr Vater wohnt im dritten Stock. Das Haus hat keinen Fahrstuhl. Einen solchen Luxus kann er sich nicht leisten. Nach seiner Pensionierung hat er herzlich wenig zur Verfügung. Während sie die Treppe hinaufsteigt, verursachen ihr die Kochdüfte im Hausflur eine leichte Übelkeit. Im dritten Stock verharrt sie kurz auf dem Treppenabsatz, um zu Atem zu kommen, und geht dann zu Apartment 3-A und klopft an die Tür. Nichts rührt sich dahinter. Sie schaut auf die Uhr. Fünf nach halb zehn. Sie klopft erneut.
    Er weiß, daß sie ihn an diesem Morgen besucht. Sie hat ihm am Vorabend gesagt, sie würde kommen. Ist es möglich, daß er es vergessen hat? Ist er irgendwohin frühstücken gegangen? Oder steht er nur unter der Dusche? Sie hat einen Schlüssel zu dem Apartment, den er ihr nach seinem letzten Herzinfarkt ausgehändigt hat, als er es mit der Angst zu tun bekam, er könnte völlig allein sterben und tagelang in der Wohnung vermodern, bis jemand seine Leiche finden würde. Sie benutzt den Schlüssel nur selten und weiß kaum, wie er aussieht, aber sie sucht ihn in ihrer Handtasche inmitten des anderen Kleinkrams und findet ihn schließlich in einem kleinen schwarzen Lederetui, das auch den Schlüssel zu seinem Bankschließfach enthält, eine weitere Versicherung gegen einen unerwarteten Herzanfall.
    Sie steckt den Schlüssel ins Schlüsselloch, dreht ihn herum. In der Stille des morgendlichen Korridors - die meisten Leute sind schon zur Arbeit, bis auf die Frau irgendwo ein Stück den Flur hinunter, die irgend etwas kocht, das entsetzlich stinkt - hört Cynthia das ölige Klicken der Schließzylinder. Sie dreht den Türknauf und drückt die Tür auf. Sie zieht den Schlüssel aus dem Schlüsselloch, verstaut ihn in ihrer schwarzen Lederhandtasche, betritt das Apartment…
    »Dad?«
    … und schließt die Tür hinter sich. Stille.
    »Dad?« ruft sie wieder.
    Kein Laut ertönt im Apartment.
    Es herrscht eine seltsame
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