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Davina

Titel: Davina
Autoren: Anthony Evelyn
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Gegenbeweis geliefert«, sagte sie. »Sie haben ebenso tapfer gehandelt wie Scherensky und die anderen.« Er wies mit einer verächtlichen Handbewegung auf das Zimmer. »Dies hier ist nicht Lager 10 im Archipel«, erklärte er. »Ich bin in einem Käfig, aber in einem gemütlichen Käfig. Ich bekomme keine Drogen und keine Schocktherapie, damit ich verrückt werde! Nein, nein, Vina – so können Sie mich nicht kriegen. Jacob ist nicht in den Westen geflohen.«
    »Jacob ist tot«, erinnerte sie ihn mit sanfter Stimme. »Es gibt nichts, was er jetzt noch tun könnte, um jemandem zu helfen. Aber Sie können den anderen helfen …«
    »Vielleicht könnte ich ihnen mehr helfen, wenn ich zurückginge«, sagte er.
    Davina erhob sich vom Tisch. Sie trat auf den unter dem Teppich verborgenen Klingelknopf, damit Roberts heraufkam und das Geschirr abräumte. Sie wollte nicht, daß Sasonow jetzt ihr Gesicht sah. Sie hatte recht, die entscheidende Krise stand bevor. Und sie würde sich wahrscheinlich nicht im Sinne ihres Auftrags entwickeln.
    Sie schloß die Wohnzimmertür. Er stand, mit dem Rücken zu ihr, und schaute in das heruntergebrannte Feuer. »Legen Sie noch ein Holzscheit nach«, bat sie, »es wird kalt.«
    Das Feuer flammte auf. Er zündete sich eine Zigarette an, und sie setzten sich wieder, ohne ein Wort zu sprechen. Er lehnte sich zurück, und der Lichtschein der Leselampe neben ihm beleuchtete sein Gesicht. Er hatte die Augen geschlossen und machte einen müden, mürrischen Eindruck.
    Sie konnte jetzt keinen Rückzieher machen, das wäre ein Zeichen der Schwäche gewesen. Seine letzte Bemerkung hatte er entweder ehrlich gemeint, oder sie war ein neuer Zug in ihrer Schachpartie. Die Vorstufe zum endgültigen Handel mit dem Brigadier und dem Foreign Office.
    »Wollen Sie wirklich zurückgehen?«
    Er schlug die Augen auf und lehnte sich vor: »Das macht Ihnen offenbar Sorgen.«
    »Nicht im geringsten, die Möglichkeit bestand immer.«
    »Die Möglichkeit, daß Ihre Leute mich zurückschicken könnten – nicht, daß ich aus freiem Willen ginge. Ich könnte mich weigern, Ihnen noch irgend etwas zu erzählen, und was ich Ihnen bis jetzt gesagt habe, ist nicht wichtig. Es war jedenfalls nicht das, was Sie sich erhofft haben – die eigentlichen Knüller – die sind noch immer hier oben.« Er berührte seine Stirn. »Ich weiß, wann Sie beunruhigt sind, denn dann runzeln Sie kaum merklich die Stirn, und Sie wissen es selber nicht. Ich sehe es Ihnen jetzt an.«
    »Was hat bei Ihnen diesen Stimmungsumschwung bewirkt?« fragte sie. »Ich lasse Sie einen Nachmittag allein, und wenn ich zurückkomme, sind Sie verdrossen und stoßen törichte Drohungen aus.« Sie zuckte die Achseln. »Sie können gehen, wenn Sie wollen. So wie die Sache liegt, sind Sie für uns sowieso nutzlos. Denken Sie noch mal darüber nach. Ich bin müde und gehe jetzt ins Bett.«
    »Oh«, bemerkte Sasonow, »das Stirnrunzeln ist tiefer geworden. Würden Sie mir überhaupt glauben, wenn ich Ihnen die Wahrheit sagte?« Sie war aufgestanden. »Ich könnte es versuchen«, sagte sie, »wenn Sie Vertrauen zu mir haben könnten.«
    Sasonow erhob sich und warf seine Zigarette ins Kaminfeuer. Sie war ein ordnungsliebender Mensch, und diese Angewohnheit irritierte sie.
    »Wir können uns gegenseitig nicht trauen«, sagte er rundheraus. »Aber eines kann ich Ihnen sagen – es gibt Zeiten, da bin ich nahe daran, hier den Verstand zu verlieren. Heute war ein schlechter Tag. Ich habe an Fedja und meine Tochter und den Kanarienvogel gedacht. Und ich habe Sie vermisst.«
    Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Er zwang sie, ihn anzusehen. Er zwang sie, die Bresche einzugestehen, die er in ihre Abwehrstellung geschlagen hatte. »Ich habe Sie vermisst.« Es gab keinen Zweifel über die Art und Weise, wie er die Worte ausgesprochen hatte. Er hatte nicht gesagt: »Ich habe mich gelangweilt oder mir Gedanken gemacht, oder ich hatte nichts zu tun«, sondern er hatte gesagt: »Ich habe Sie vermisst.« Die Betonung lag auf dem Wort ›Sie‹.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Es tut mir leid, daß ich so lange fort war.« Es klang wie eine lahme Entschuldigung.
    »Sie können nichts dafür«, meinte der Russe. »Sind Sie immer noch böse?«
    »Nein«, sagte sie.
    »Dann kommen Sie her und setzen Sie sich hin. Gehen Sie noch nicht ins Bett.«
    Sie wollte sich nicht dicht neben ihn setzen, aber er streckte seine Hand nach ihr aus, und statt diese zu
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