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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film
Autoren: Jonas Winner
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am Ohr im Zimmer auf und ab. Das hörte sich allerdings ganz nach David an.
    »Mein Kollege arbeitet in der Feuilleton-Redaktion«, fuhr Hölzemann fort. »Er hat vor einigen Jahren schon einmal über Mosbach
     berichtet, aber diesmal steckt er fest. Keiner seiner Reporter kommt an Mosbach heran. Ich hatte ihm erzählt, dass Sie ab
     und zu für mich schreiben und dass Sie Mosbach noch aus Ihrer Jugend kennen. Deshalb sprach er mich an. Ob ich bei Ihnen einmal
     nachfragen könnte.«
    Florian blieb stehen und starrte durch das Fenster auf die Straße. Was hatte er heute vor? Er musste seinen Artikel fertig
     schreiben und wollte Marisa treffen. Marisa sollte den Kontakt zu einer Frau herstellen, die angeblich einen deutschen Millionär
     kannte, der wilde Partys auf seinem Landsitz feierte. Florian hoffte, an einer der Partys teilnehmen und die Erlebnisse für
     eine Reportage verwenden zu können. Einen Titel hatte er schon: »High Life in La Mancha«. Na, klasse.
    Hölzemann unterbrach seine Gedanken. »Passen Sie auf, hier ist mein Vorschlag. Sie nehmen den nächsten Flieger nach Berlin
     und versuchen etwas über Mosbachs Film herauszubekommen. Wenn das klappt, schreiben Sie einen Artikel darüber. Wenn nicht,
     machen wir eben eine Reportage, wie perfekt dieses Filmprojekt abgeschottetwird. Was halten Sie davon? In jedem Fall ziehen wir das Ding richtig hoch, vielleicht sogar als Titelgeschichte unserer Sonntagsbeilage.
     Schließlich handelt es sich nicht um irgendein Studentenfilmchen. Da steckt richtig Geld dahinter, das ist eine große Produktion.«
    Florian starrte aus dem Fenster. »Ja, sicher.«
    Er musste daran denken, dass die Anzahl der Aufträge, die er aus Deutschland bekam, in letzter Zeit stetig zurückgegangen
     war. Inzwischen hielten ihn vor allem seine Rücklagen über Wasser, und es war klar, dass das auf Dauer nicht gutgehen konnte.
     Aber so gern er auch einen Artikel bei Hölzemann platziert hätte – seit er wusste, dass er ihn auf David ansetzen wollte,
     war sein Arbeitseifer merklich abgekühlt.
    »Trotzdem, ich weiß nicht, Richard   …«
    »Sie wissen nicht?« In Hölzemanns Stimme schlich sich eine Spur Ungeduld. »Was soll das heißen? Sie müssen mir schon sagen,
     ob Sie den Auftrag haben wollen oder nicht.«
    »Ja, ja, nur, verstehen Sie, David ist   … Er ist so etwas wie mein bester Freund, wir kennen uns seit über dreißig Jahren.« Flo nahm seine Wanderungen durch das Zimmer
     wieder auf. »Und ich habe nicht wirklich Lust, diese Freundschaft für einen Artikel aufs Spiel zu setzen, der am nächsten
     Tag wieder Altpapier ist.«
    Hölzemanns Stimme wurde eindringlich. »Sie wissen doch, Florian, ein guter Artikel hält sich, auch wenn die Zeitung schon
     alt ist. Das hängt ganz allein von Ihnen ab. Machen Sie was draus! Was Großes meinetwegen! Sie haben von mir jede Unterstützung.«
    Florian schwieg. Ihm war die ganze Sache nicht geheuer.In den vergangenen Jahren hatte er immer wieder gehofft, David würde sich mal bei ihm melden. Am Anfang hatte Flo noch von
     Madrid aus bei ihm angerufen. Aber auch das war inzwischen vorbei, und sie hatten lange nichts mehr voneinander gehört. Das
     war etwas, das ihn schmerzte, aber das ging auch nur ihn etwas an. Und ausgerechnet über David sollte er jetzt einen Artikel
     schreiben?
    Durch die Leitung hörte er, wie Hölzemann sich eine Zigarette anzündete. »Es ist Ihre Chance, Florian. Glauben Sie mir, ich
     habe Sie immer gemocht. Aber die Sachen, die Sie uns liefern   … Das ist nicht wirklich – wie soll ich sagen   … nichts wirklich Weltbewegendes. Bisher jedenfalls nicht. Nehmen Sie’s mir nicht übel, ich bin sicher, Sie können es besser.
     Sie haben einfach noch nicht den richtigen Stoff gefunden. Ich habe schon mit vielen Autoren gearbeitet, fragen Sie die Kollegen.
     Nicht jeder kann alles. Die Mosbach-Story aber, die würde Ihnen liegen, da bin ich mir sicher. Wenn Sie eine Arbeit abliefern
     wollen, mit der Sie sich endlich einen Namen machen können – und ich weiß, es ist höchste Zeit bei Ihnen, ohne Ihnen zu nahetreten
     zu wollen   –, dann sollten Sie diesen Job annehmen.«
    Florian schwieg. Vor seinem geistigen Auge tauchte David auf an dem Tag, an dem sie sich zum letzten Mal gesehen hatten. Es
     musste acht oder neun Jahre her sein. Sie hatten sich abends auf ein Bier verabredet. Am nächsten Tag musste Florian nach
     Israel fliegen, es ging um eine langweilige Reisegeschichte aus Jerusalem.
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