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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film
Autoren: Jonas Winner
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dass sie zersplitterten.

2
    12   Stunden vorher
     
    Florian Baumgartner lag noch im Bett, als das Telefon klingelte. Er schlug die Augen auf. Sein Blick fiel auf den Radiowecker:
     kurz vor elf Uhr vormittags. Das dünne Laken klebte an seinem Rücken, er war völlig verschwitzt. Die Sonne brannte direkt
     auf die Fensterläden.
    Wieder klingelte das Telefon. Hastig schlug er das Laken zurück und setzte sich auf. Er war erst spät eingeschlafen, hatte
     die halbe Nacht an einem Artikel gearbeitet, den er am Nachmittag abliefern musste.
    Er griff nach der halbvollen Wasserflasche, die neben dem Bett auf dem Boden stand, nahm einen kräftigen Schluck und stand
     auf. Würde seiner Stimme anzuhören sein, dass er noch geschlafen hatte? Er räusperte sich kräftig und stakste vom Schlafzimmer
     ins Wohnzimmer, das er zugleich als Arbeitszimmer nutzte und in dem sich Bücher, Zeitungen und Magazine an den Wänden stapelten.
     Direkt vor dem Fenster stand sein Schreibtisch, auf dem – halb verdeckt von Rechnungen, Korrespondenzen und Merkzetteln –
     das Mobilteil seines Telefons lag und klingelte.
    Flo griff danach und warf einen Blick aufs Display. EineNummer aus Deutschland, 004969, Frankfurt am Main. Ein gutes Zeichen. In Frankfurt saßen gleich zwei große Tageszeitungen,
     für die er ab und zu aus Spanien schrieb. Zwar nicht als fester Korrespondent, aber als freier Mitarbeiter, der sich unter
     den Redakteuren den Ruf erarbeitet hatte, der richtige Mann für die eher abseitigen Storys zu sein, für die Geschichten, die
     den festen Korrespondenten eher nicht so lagen.
    »Baumgartner!«, bellte er ins Telefon, um seiner Stimme jede verdächtige Brüchigkeit zu nehmen.
    »Florian?«, tönte es zurück. »Tut mir leid, hab ich   … hab ich Sie geweckt?«
    Flo spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Hölzemann. Einer der beiden Redakteure, genau, wie er vermutet hatte. Er versuchte,
     den Restalkohol abzuschütteln, der wie Spinnweben sein Hirn zu verkleben schien.
    »Richard. Schön, von Ihnen zu hören.«
    »Wie geht’s? Alles in Ordnung da unten?«
    Hölzemann rief mit Sicherheit nicht an, um zu hören, wie es ihm ging, sondern weil er etwas von ihm wollte.
    »Alles bestens. Ich habe gerade neulich an Sie gedacht.«
    »Ach ja? Haben Sie wieder etwas für uns, Florian? Eine von Ihren Geschichten?«
    Für einen Augenblick schwindelte ihn. Was konnte er Hölzemann anbieten? Die Sache mit den Katakomben? War das auch unverbraucht
     genug? Das Porträt des Marathonläufers? Interessierte das die Leute in Deutschland überhaupt? All die Ideen, die er seit Monaten
     für den Redakteur beiseitegelegt hatte, kamen ihm plötzlich nichtssagend und ausgelutscht vor.
    »Hören Sie, Florian, Sie müssen mir unbedingt bei Gelegenheitdavon erzählen«, fuhr Hölzemann zu Florians Erleichterung fort. »Heute bin
ich
jedoch derjenige, der etwas für
Sie
hat.«
    Umso besser! »Schießen Sie los.«
    »Mosbach. David Mosbach. Schon mal von ihm gehört?«
    Florian musste lachen. »David? Na und ob! Wie kommen Sie denn auf den?«
    »Sie sind befreundet, oder?«
    »Ja, sicher.« Flo zögerte. Er hatte schon länger nichts mehr von David gehört.
    »Ein Kollege sprach mich gestern an«, sagte Hölzemann. »Er will schon seit einiger Zeit etwas über Mosbach machen. Die Dreharbeiten
     zu seinem letzten Film haben ziemliches Aufsehen erregt.«
    Flo merkte, dass er keine Ahnung hatte, wovon Hölzemann sprach. »Sein letzter Film?«
    »Ja, ›Tabu‹. Hat er Ihnen nichts davon erzählt?« Hölzemanns Stimme klang ein wenig verzerrt. Die Verbindung war nicht besonders
     gut.
    »›Tabu‹? Ist das nicht ein Film von Murnau?«
    »Es ist nur der Arbeitstitel, der endgültige Titel steht noch nicht fest. Mosbach hat daraus ein großes Geheimnis gemacht.«
    »Das sieht ihm ähnlich.«
    »Diesmal scheint er es auf die Spitze getrieben zu haben. Die Arbeit an dem Film wurde streng überwacht und geheim gehalten.
     In Spanien haben Sie davon vielleicht nichts mitbekommen, aber hier in Deutschland war das in aller Munde. Es gab keinen Pressetermin
     während der Dreharbeiten. Niemand, der nicht unmittelbar gebrauchtwurde, durfte ans Set. Bis heute hat kaum jemand etwas von dem Film gesehen. Aber es kursieren Gerüchte, dass die, die Ausschnitte
     vorab zu Gesicht bekommen haben – Sie wissen schon, Leute im Kopierwerk und so weiter   –, dass die ziemlich verstört gewesen sein sollen.«
    »Donnerwetter.«
    Florian tigerte mit dem Telefon
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