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David Roth und andere Mysterien

David Roth und andere Mysterien

Titel: David Roth und andere Mysterien
Autoren: Zoi Karampatzaki
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dagegen ging die Sonne einige Zeit nicht unter. Um Mitternacht bei strahlendem Licht in meinem eigenen See vor meiner eigenen Hütte zu schwimmen, war der schönste Teil meines Lebens. Sogar die in Scharen umherschwirrenden Mücken, die mich stachen und mein Blut aussaugten, vermisste ich im Ausland.
    Ich arbeitete meistens halbjährig, daher konnte ich die Sommer in meinem Land genießen. Es gab nichts Wundervolleres, als die Sommermonate des Jahres herrlich einsam und allein in meiner Hütte zu verbringen. Der Einzige, mit dem ich mich in dieser Zeit neben Billy und Clara traf, war Robert. Er kam aus Karelien, einer Landschaft im finnischen Osten, und wohnte knapp eine Autostunde entfernt in einer ähnlichen Hütte. Ich vertrieb mir die Wochen mit Schwimmen und Angeln, Wandern und Joggen, jagte für mein Abendessen die Tiere im Wald und sammelte Beeren für meinen Nachtisch. Im Einklang mit der Natur ...
    Ich merkte, dass ich gedanklich abgedriftet war, als das unangenehme Geräusch der schwedischen Sprache die Ruhe des Landhauses zerstörte. Abfällig rümpfte ich die Nase und wandte den Blick ab. Erfolglos versuchte ich, auszublenden, worüber sich die Schweden unterhielten. Über das Meer und die Küste, die knapp hinter der Grenze zu Schweden lag, über das verpönte finnische Essen, das ich liebte. Als sie auf die spinnenden Finnen kamen, verschloss ich mich ihnen endgültig. Entweder waren sie ungebildet oder man sah mir meine harten dreißig Lebensjahre in Lappland nicht an. Ich ging von Ersterem aus.
    Um mich abzulenken, sog ich die vertraute Atmosphäre der Hütte in mich ein. Gern und oft saß ich mit Billy auf den großen Sofas und ließ mir finnischen Vodka und amerikanisches Fast Food servieren. Es war ein Wunder, dass ich nicht viel schneller außer Form geriet, als Billy God bless America sagen konnte. Das tat er oft.
    Plötzlich glaubte ich das Dröhnen eines Autos zu hören, das sich über eine festgefrorene Schicht aus einigen Zentimetern hohem Schnee quälte. Lächerlich für Lappland. Dort versanken in den dichten Flocken Autos, Menschen und Hütten.
    Wenige Momente später hoben auch die anderen Männer die Köpfe und unterbrachen ihr Gespräch. Gott sei Dank.
    Sie schauten alle neugierig zum Fenster. Ich hingegen wappnete mich für sämtliche Szenarien, den Blick auf die züngelnden Flammen geheftet. Möglicherweise ging es gar nicht um Billy selbst.
    Ich lauschte: Er hielt an. Er stieg aus. Er schloss ab. Er lief über knirschenden Schnee auf sein Haus zu. Er stieß die Tür auf und ein Schwall eisiger Luft biss sich in meine Haut.
    Ich schaute in sein Gesicht, und er grinste müde. Die Erleichterung in mir war von jener Sorte, die dermaßen stark ist, dass man sich gern kurz auf den Hintern fallen lassen würde.
    Was hier los war, hatte offensichtlich nicht unmittelbar mit Billy, Clara und den Mädchen zu tun.
    Die anderen Männer erhoben sich höflicherweise. Das hatte ich ihnen gar nicht zugetraut. Billy kam direkt zu mir. Es war unüblich für Finnen, sich zu umarmen. Deshalb reichten wir uns grinsend die Hand und zerquetschten einander die Finger. Er war zerzaust und hatte schwarze Halbmonde unter den hellbraunen Augen, trotzdem sah ich Erleichterung und Entschlossenheit in seinen Gesichtszügen.
    Er seufzte leise. „Lauri. Ich kann dir unmöglich genug dafür danken, dass du da bist. Diese Sache liegt mir am Herzen.“
    Ich nickte lediglich. Was hätte ich sagen sollen? Finnen sparen an Worten. Er wusste genau, dass ich bereit war, alles für ihn zu tun.
    Billy wandte sich an seine anderen geladenen Gäste. Argwöhnische Blicke vom Schwedenpaar, das sich mit Sicherheit fragte, warum ich als Finne nicht blond war wie sie. Entspannter Gesichtsausdruck vom Schwarzhaarigen. Der andere Schwarzhaarige, der mit den langen Locken bis zu den Schulterblättern – also ich – ließ sich überhaupt nichts anmerken.
    „Auch an euch drei: Vielen herzlichen Dank. Eine solche Aktion ist nicht üblich in meinem Business. Es geht um eine absolute Ausnahme.“
    Ich glaubte mir einzubilden, dass seine Augen zu mir zuckten und ich in ihnen einen Moment lang etwas sehen konnte, das mir überhaupt nicht gefiel.
    Schuldbewusstsein. Eine vorausgeschickte Bitte um Entschuldigung.
    Der hatte doch nicht etwa vor, mich in ein Land im Süden zu schicken? Das würde gegen die wenigen Arbeitsbedingungen verstoßen, die ich damals verhandelt hatte, als ich zu ihm kam. Na wunderbar. Und das kurz vor
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