Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
Geschäften vorbeigekommen war, in deren Fensterrahmen nur baumelnde Papierstreifen zurückgeblieben waren.
    Draußen auf der Straße blickten wir gen Himmel, konnten unseren Mann aber nicht entdecken.
    »Wo ist er hin?«
    »Ob er auf einem Dach gelandet ist?«
    Die Scheinwerfer suchten den Himmel ab, aber sie waren alle auf hohen Gebäuden installiert, und keiner verfügte über den Schwenkwinkel, um hinunter in die Woinowa Uliza zu leuchten. Vera zupfte am Kragen meines Mantels, einem voluminösen alten Marinemantel, ein Erbstück von meinem Vater und mir noch immer zu groß, aber wärmer als alles, was ich sonst besaß.
    Ich drehte mich um und sah ihn durch die Straße schweben, unseren Deutschen, sah seinen verbliebenen schwarzen Stiefel über die vereiste Fahrbahn schlittern, den großen Baldachin seines noch mit Luft gefüllten weißen Fallschirms, der ihn auf den Eingang des Kirow zutrieb, das Kinn auf die Brust gesunken, das dunkle Haar mit Eiskristallen gesprenkelt, das Gesicht blutleer im Mondlicht. Wir standen regungslos da und verfolgten, wie er näher glitt. Wir hatten in jenem Winter Dinge gesehen, die eigentlich kein Auge jemals sehen sollte, wir glaubten, uns könne nichts mehr überraschen, aber das war ein Irrtum, und wenn der Deutsche seine Walther gezogen und zu schießen begonnen hätte, wäre keiner von uns imstande gewesen, rechtzeitig die Beine in die Hand zu nehmen. Doch der Tote blieb tot, und schließlich entwich die Luft aus dem Fallschirm, der in sich zusammenfiel, und der Mann plumpste auf die Fahrbahn, wurde noch, als letzte Demütigung, ein paar Meter mit dem Gesicht nach unten weitergeschleift.
    Wir scharten uns um den Flieger. Er war sehr groß, gut gebaut, und hätten wir ihn in Straßenkleidung in Piter herumspazieren sehen, hätten wir sofort gewusst, dass er ein Infiltrant ist - er hatte den Körper eines Mannes, der jeden Tag Fleisch isst.
    Grischa kniete sich hin und zog die Seitenwaffe des Deutschen aus dem Halfter. »Walther PPK. Wie ich gesagt habe.«
    Wir drehten den Deutschen auf den Rücken. Sein blasses Gesicht war aufgescheuert, die Haut vom Asphalt zerschrammt, die Abschürfungen so farblos wie die heile Haut. Tote bekommen keine blauen Flecke. Ich konnte nicht feststellen, ob er verängstigt oder kämpferisch oder friedlich gestorben war. In seinem Gesicht fehlte jede Spur von Leben oder Persönlichkeit - er sah aus wie ein Leichnam, der schon als Leichnam zur Welt gekommen war.
    Oleg zog ihm die schwarzen Lederhandschuhe aus, während Vera sich den Schal und die Fliegerbrille schnappte. Ich entdeckte ein Futteral, das unten am Bein des Fliegers festgeschnallt war, und holte ein wunderschönes Messer mit schwerem Griff, silbernem Fing erschutz und einer fünfzehn Zen timeter langen, einschneidigen Klinge heraus, auf der etwas stand, was ich im Mondlicht nicht lesen konnte. Ich steckte das Messer wieder in die Scheide und schnallte es um mein eigenes Bein, hatte zum ersten Mal seit Monaten das Gefühl, dass sich das Schicksal, das mich zum Krieger bestimmt hatte, endlich erfüllte.
    Oleg fand die Brieftasche des Toten und zählte grinsend das deutsche Geld. Vera steckte einen Chronometer ein, doppelt so groß wie eine Armbanduhr, den der Deutsche über dem Ärmel seiner Fliegerjacke getragen hatte. Grischa fand ein Lederetui mit einem zusammengeklappten Feldstecher, zwei zusätzliche Magazine für die Walther und einen Flachmann. Er schraubte den Deckel ab, schnupperte und reichte mir die Flasche.
    »Kognak?«
    Ich nahm einen kleinen Schluck und nickte. »Kognak.«
    »Hast du überhaupt schon mal Kognak getrunken?«, fragte Vera.
    »Klar doch.«
    »Wann?«
    »Gib mal her«, sagte Oleg, und dann machte die Flasche die Runde. Wir vier hockten uns um den gefallenen Flieger herum und nippten an dem Flachmann, in dem Kognak oder Weinbrand oder Armagnac hätte gewesen sein können. Keiner von uns kannte den Unterschied. Aber was es auch war, das Zeug wärmte den Magen.
    Vera betrachtete das Gesicht des Deutschen. Ihre Miene verriet weder Mitleid noch Angst, nur Neugier und Verachtung - der Eindringling war hergekommen, um seine Bomben auf unsere Stadt fallen zu lassen, und war stattdessen selbst gefallen. Wir hatten ihn nicht abgeschossen, aber wir triumphierten trotzdem. Außer uns war noch nie jemand aus dem Kirow auf die Leiche eines Feindes gestoßen. Am Morgen würden wir im ganzen Wohnblock Tagesgespräch sein.
    »Wie er wohl gestorben ist?«, fragte sie. Keine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher