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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht
Autoren: Kai Meyer
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so.«
    »Ach ja ? «
    »Jula hat viel von Ihnen gesprochen.«
    Chiara b li e b abrupt ste h en. »Jula hat m it Ihnen über mich gespr o che n ?«
    »Natürlich. Und über Ihren V ater. M e in Beil e id, übrigens. Ich habe von seinem Tod gehört.«
    »Sie hat Ihnen von m i r erzählt ? «
    » W arum wundert Sie das so ? «
    »Auf Wiedersehen.« C hiara ging weiter, dies m al sehr viel ha s tig er . Jula hatte ihr in sie b en Jahren nicht einen Brief geschrieben, geschweige denn einen Besuch abgestattet oder sie nach Be r lin eingeladen. Und nun sollte sie einer W ildfr e m den von ihr erzählt haben?
    W ildfr e m d für dich, dachte sie. Aber vielleicht hat Jula sie gut gekannt. Vielleicht war diese Henriette J u las Freundin. Oder zu m i ndest so etwas wie eine Vertraute.
    »I c h h a b e vo r übe r e i ne m Jah r begonnen , Ges p räc h e m i t I h r e r S ch w e s t e r z u fü h r e n . « Di e K o l um n isti n w a r i h r wie de r dic h t au f de n Fer s e n . »Glaube n S i e m i r , i c h m ei n e e s e rn s t m i t diese m Buc h – jetz t noc h me h r al s vorher . Ic h wil l über di e wahr e Jul a schrei b en , nic h t d i e s e s Leinwandgesicht , das jede r au s de m Kin o kennt . W e r w a r si e wirklic h ? W a s ging i n i h re m Kop f vor ? Un d war u m ha t si e e s nich t gewagt, I hn e n un d I h re m Va t e r ein e n Bri e f z u sc hr e iben ? «
    Chiara wirbelte herum und genoss einen Herzschlag lang das Erschrecken in den Zügen der konsternierten Reporterin.
    »Ich denke, dass Sie das einen Dreck angeht.«
    »Aber ich kenne die Antwort. Kennen Sie sie auch ? «
    De r Zu g de r Trauergäst e ris s ni c h t ab . Obwoh l s i c h j e t z t Dutzend e de n W e g entlan g zu m Ausgan g schoben , schien de r Pul k u m da s G r a b nich t kleine r z u werden . D i e G e igen- m e lodi e schwebt e übe r ihre n Köp f en , un d fü r eine n Augen- bl i c k f ra g t e s i c h Chi a r a , o b d i e andere n si e überhaup t hörten.
    »Ich kann Ihnen nicht viel über m eine Schwester erzä h len. Wir h atten s eit Jah r en keinen Kontakt – das war ver m utlich ganz gut so, weil ich ihr sonst den Hals u m gedreht hätte und sie schon früher hier gelandet wäre.« Sie war üb e rrasc h t über ihre e i g enen W orte. Aber es war die W ahrheit, in gewisser W eise. Mal sehen, ob dieses penetrante Frauenzimmer da m it umgehen konnte. W enn nicht, hol sie der Teufel. W enn doch – dasselbe!
    »Nu r ei n Interview« , sagt e d i e Kolumnisti n b e dächtig . » S ie e n t s c h eiden , wa s Si e erzählen . K l e i n i gke i t e n au s Ih r e r Kind- heit , ega l was . D a n n we r d e i c h S i e n i ch t we i te r bed r ängen.«
    »Das werden Sie so oder so nicht. Ich reise m orgen ab.«
    » W ir könnten uns heute Abend treffen.«
    Einen Mo m ent lang drohte s i e schwach zu wer d en. Die  Aussicht auf ein wenig Gesellsc h aft war besser, als allein in einem P e nsionszimmer zu sitzen und den A m eisen bei ihrer Ar b eit zwischen den Dielenbrettern z u zusc h auen.
    »Nein«, sagte sie sc h l ie ß lich. »Endg ü ltig.«
    Die Kolu m n istin at m ete tief durch, aber sie bohrte nicht weiter. Stattdes s en z o g sie ein Kärtchen aus ihr e r Jackentasche, legte es auf e i nen Grabstein und kritzelte ein paar Zahlen darauf. »Meine Telefonnumm e r in der Redaktion«, sagte sie, als s i e Chiara die Karte reichte.
    »Die zweite ist b e i m i r zu Hause. Ru f en Sie an, wenn Sie sich in B e rlin langweil e n – oder einfach je m anden zum Reden brauchen. Im m erhin war sie I h re Schwest e r.«
    Da m it t r at s i e an Chi a ra vorb e i, ni c kte ihr fr eu n dlich zu und ließ sie stehen.
     
     
    *
     
     
    Vor dem F r iedhof wartete ein Mann. Lässig lehnte er am Kotflügel eines dunklen Auto m obils. Offenbar wartete er auf sie. Als sie durch da s Tor ka m , trat er auf sie zu.
    »Chiara Mondschein ? « Sie nic k te.
    »Mein Name ist Felix Mas k en.« Mit einem Lächeln, das bescheiden wirken sollte, fügte er hinzu: »Ich habe Ihre Schwester gekannt.«
    »Ich weiß.«
    Das schien ihn zu a m üsieren. »Sie sind fr e m d in der  Stadt. Darf ich Sie in Ihr Hotel b r in g en?«
    Als er läc he lte, f üllte d a s Dämmerlicht s e ine Z üge m it  Schatten.
      
      
     
    Zwei
     
    Er brachte sie nicht zum Hotel, sondern zu sich nach  Hause.
    »Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir zu m i r fahren? W i r könnten uns ein bisschen unterhalten«, schlug er vor, nachdem sie eingestiegen war.
    Natürlich
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