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Das Wunder von Bajkonur

Das Wunder von Bajkonur

Titel: Das Wunder von Bajkonur
Autoren: Heinz G. Konsalik
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runder, weißgold strahlender Gegenstand. Er war etwas größer als ein Fußball, eine blauweiße Aura umgab ihn, eine Art Rundum-Heiligenschein, und wenn die Augen vor Entsetzen nicht auch gelähmt gewesen wären, hätte man sie zusammenkneifen müssen, so intensiv und grell war die Strahlung, die von dem langsam hereinschwebenden Feuerball ausging.
    Die Flammenkugel verharrte einen Moment an der Tür, als betrachte sie sich die gelähmten Frauen. Dann schwebte sie weiter, hinüber zur Theke, wo Weronika Alexandrowna unbewußt zu röcheln begann und die Augen vor Entsetzen verdrehte. Dort, vor einem Flechtkorb voller Päckchen mit kandierten Feigen, verharrte die feurige Kugel wieder ein paar Sekunden, setzte sich dann erneut in Bewegung, erhob sich bis auf 1,50 Meter vom Boden, zog lautlos weiter durch den Lebensmittelladen, vorbei an der bewußtlosen Emilia Petrowna, und schwebte ohne den geringsten Laut durch die Hintertür hinaus ins Freie. Sie passierte in dreißig Meter Abstand den malenden Rachim Victorowitsch, der ihr fassungslos nachblickte, tanzte über den kleinen Gartenhof, übersprang den Zaun und war dann verschwunden.
    Im Laden aber brach die Hölle los.
    Alla Iwanowna sank gegen einen Ständer mit gläsernen Bonbontöpfen, verdrehte schauerlich die Augen und japste nach Luft. Emilia Petrowna fiel auf die Knie und bekreuzigte sich, schrie: »O Mama im Himmel, laß mich nicht allein!« und greinte dann hysterisch.
    Am härtesten traf es Galina Victorowna, die Frau des Elektrikers Bassow. Als sich bei ihr der Krampf löste und die Muskeln erschlafften, schlug sie beide Hände vor das verzerrte Gesicht und benässte sich die Hose. Es war einfach nicht zu halten. Weronika Alexandrowna lehnte sich hinter der Theke an ein Regal mit Teigwaren, starrte auf die offene Hintertür, sah den Kopf ihres Mannes auftauchen mit großen ungläubigen Augen, und schrie hell: »Rachim Victorowitsch, hast du das gesehen? Was war das? Ein feuriger Fußball …«
    Dann sank auch sie um und fiel in Ohnmacht.
    »Ein Fußball hat mehr Tempo und schwebt nicht«, sagte Rachim hilflos. Er starrte auf die entnervten Frauen, raufte sich die Haare und ahnte, daß Großes über sein Haus gekommen war.
    Schon eine Stunde später hatte man in Bajkonur eine Sonderkommission gebildet, um dieses unglaubliche Geschehen zu klären. Der Vorsitzende des Ortssowjets, der Genosse Butejew, hatte die Leitung übernommen, als sich herausstellte, daß alles nicht etwa der Phantasie eines Säufers entsprungen war, sondern daß es fünf glaubwürdige Zeugen gab, auch wenn sie im Augenblick völlig verstört wirkten.
    Was Behörden besonders gern tun, ordnete natürlich auch Butejew an: Er ließ zunächst das ganze Anwesen der Jakowlews durch die Miliz absperren, stellte für die Zeugen eine Bewachung auf und befahl die Sicherung der Spuren.
    Aber es gab keine Spuren. Weder Brandflecke noch Abdrücke noch Rückstände … das einzige, was zurückgeblieben war, und das konnte man nicht einsammeln, war ein leichter Geruch nach verbranntem Metall. Aber den hatte auch nur Rachim Victorowitsch bemerkt. Bei den Frauen war alles erstarrt gewesen, sogar die Geruchsnerven.
    »Fangen wir methodisch an!« sagte Alexej Igorowitsch Butejew weise und amtlich. Er hatte sich im Lebensmittelladen auf einen Sack mit Reis gesetzt, blickte auf die offene Eingangstür und dann auf Weronika Alexandrowna, die auf einem Holzhocker saß. Butejew war ein nüchterner Geist, in der Parteischule in Omsk gedrillt und gewöhnt, den Dingen auf den Grund zu gehen und für alle Fälle des Lebens ein Wort von Lenin bereitzuhalten. Zum erstenmal versagte nun alle Schulung: Nirgendwo hatte Lenin so ein feuriges Kugelding erwähnt, das bei Jakowlew durch den Laden geschwebt war. Butejew kam in Bedrängnis, räusperte sich mehrmals und knöpfte die Jacke über dem deutlichen Bauchansatz auf. Er war 55 Jahre alt, hatte sechs Kinder und eine zänkische Frau, die ihn verdächtigte, mit der Parteisekretärin ein Verhältnis zu haben.
    »Das Ding kam also dort herein?« Butejew zeigte zur Tür.
    Die Jakowlewa nickte schwer. »Ja. Lautlos. War plötzlich da, schwebte bis zur Theke, beguckte sich die kandierten Feigen und schwebte zur Hintertür, an Rachim vorbei, ins Freie zurück.«
    »Beguckte sich die Feigen!« wiederholte Butejew nachdenklich. »Es hatte also Augen?«
    »Nein …«
    »Aber es beguckte sich …«
    »Man sagt das so, Alexej Igorowitsch! Die leuchtende Kugel blieb vor den Feigen
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